Grüß dich! Mittlerweile ist der Hochsommer angekommen. Nach einem kurzen Besuch am Frischmarkt und in der Gärtnerei habe ich mich entschlossen, mit dir heute den Paradeiser näher zu inspizieren. Die Tomate ist häufig das erste Pflanzenkind frischgebackener Hobbylandwirte und Balkongärtner*innen. Aus diesem Grund erlaube ich mir diesmal auch ein paar gärtnerische Tipps. Es gibt wieder einige interessante Fakten – komm mit, lass uns gemeinsam schauen!
1. Alte Liebe rostet nicht
Mamma mia! Was wäre die italienische Küche ohne ihren „goldenen Apfel“ – den Pomodoro? Mediterrane Gerichte, die wir mit dem Sommer schlechthin verbinden, haben häufig einen Star: die Tomate. Frisch im Salat, als Suppe, in Soßen verarbeitet, als Tomatenmark oder Püree haltbar gemacht oder sonnengetrocknet, so kennen und lieben wir dieses Früchtchen. Auch wenn die Liebe zu dieser (botanisch korrekt:) Beere groß ist, so war das nicht immer so und die Italiener*innen waren auch gar nicht die Ersten, die sich für Solanum lycopersicum dermaßen erwärmen konnten.
2. Manchmal kommt das Gute aus der Ferne
Dank Samenfunden bei Ausgrabungen wissen wir heute, dass die indigenen Völker Mexikos und Perus bereits 200 v. Chr. Tomaten kultivierten. Die wilden Ahnen unserer Paradeiser sind dementsprechend Mittel- und Südamerikaner. Selbst unser heute gebräuchlicher Name Tomate lehnt sich an den aztekischen Namen „Xitomatl“ an. Aus der Aztekensprache Nahuatl übersetzt bedeutet dies „Nabel des dicken Wassers“.
3. Liebe auf den zweiten Blick
Die ersten Tomatensamen erreichten Europa bald nach der Entdeckung Amerikas zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Die Früchte dieser Pflanzen waren klein, gelb und leicht bitter. Die Europäer*innen konnten zu Beginn nicht recht davon überzeugt werden, die hübschen Beeren ruhigen Gewissens zu verspeisen. Der Giftigkeit verdächtigt, wurde die Tomate geraume Zeit nur als Zierpflanze kultiviert. Ein Schicksal, welches sie übrigens mit einem weiteren südamerikanischen Mitglied der Familie der Nachtschattengewächse teilte: Die Rede ist vom Erdapfel. Es waren aber tatsächlich die Italiener*innen, die sich als Erste in Europa kulinarisch an den Paradiesapfel heranwagten.
4. Wehe, wenn sie losgelassen …
Als man aber erst einmal auf den Geschmack gekommen war, brachten die Züchter*innen mit der Zeit unzählige Sorten hervor. Dies mündete in der extremen Farb-, Form- und Geschmacksvielfalt, die wir heute kennen. Ob weiß, gelb, orange, rosa, rot, violett, braun oder schwarz – es gibt sie in fast allen Farben. Es gibt sie einfärbig, zweifärbig, sogar getigert und gefleckt. Sie kommen rund, länglich, spitz, ei-, herz-, birnen-, dattel- oder flaschenförmig daher. Ob zum Naschen als kleine, beinahe obstsüße Cherrytomaten, als riesige, saftige Fleischtomaten zum Kochen, als schön anzusehende aromatische Ochsenherztomaten für den Salat – für jeden Geschmack und Verwendungszweck gibt es den richtigen Paradeiser. Weit über 3.000 registrierte Sorten zeugen von unserer Liebe zur Tomate.
5. Die inneren Werte
Mit einem Wasseranteil von 95 Prozent hat das erfrischende Gemüse bei wenig Kalorien einiges zu bieten. In ihm stecken Vitamin A, C, E und einige Vitamine der B-Gruppe. Neben Kalzium und Magnesium punktet es weiters mit viel Kalium. Besonders erwähnenswert sind jedoch die antioxidativen Carotinoide. Der bekannteste und mengenmäßig wichtigste Vertreter dieser Gruppe ist das Lycopin. Es macht die Tomate schön rot und ist als Radikalfänger bekannt. Die besonders gute Nachricht: Lycopin ist nicht nur hitzebeständig, sondern wird durch Erhitzen erst so richtig aktiv! Also ran an Pizza und Pasta!
6. Bittere Erkenntnis
Aber da war doch noch was von wegen leichter Bitterkeit. Die Substanz, die dafür verantwortlich ist, kann man in vielen Nachtschattengewächsen – den Solanaceae – finden. Sie ist für diese Pflanzenfamilie derart charakteristisch, dass man dieser Verbindung kurzerhand den Namen Solanin verpasst hat. Es ist schwach giftig und dient der Pflanze als Fraßschutz.
Grüne, unreife Tomaten enthalten größere Mengen an Solanin, der Gehalt nimmt mit zunehmendem Reifegrad aber rasch ab. Unreife Tomaten sollten jedoch nicht gegessen werden. Aber Ausnahmen bestätigen ja oft die Regel. Manche USA-Reisenden wundern sich schon etwas: Auf den Speisekarten amerikanischer Restaurants kann man nämlich regional immer wieder einmal „Fried green tomatoes“ finden, einen Klassiker der Südstaatenküche. Bei den üblichen Verzehrmengen werden diese in der Tat sehr schmackhaften, paniert-frittierten Scheiberl gut vertragen – trotz ihres hitzebeständigen Solanins. Das kann ich persönlich bestätigen. Es gilt wie immer: Die Dosis macht das Gift!
7. Ab in die Küche
Das sonnenliebende Gemüse mag es auch bei der Lagerung nicht kühl. Tatsächlich verliert die Tomate im Kühlschrank rasch an Geschmack und auch ihre Vitamine, sie wird mehlig und schmeckt fad. Der reife Paradeiser fühlt sich bei 12 bis 16 Grad am wohlsten und verliert so für 14 Tage kaum Inhaltsstoffe.
Tomaten reifen nach und höhere Lagerungstemperaturen beschleunigen den Prozess. Der Paradeiser verströmt dabei das gasförmige Reifungshormon Ethylen. Deshalb solltest du Tomaten, Äpfel, Bananen, Birnen, Kakis, Papayas, Avocados und einiges andere an Obst und Gemüse nicht nebeneinander lagern. Nachreifende Früchte treiben sich durch Ethylen gegenseitig an, immer schneller zu reifen, bis sie – bald überreif – verderben. Wie rasant das gehen kann, hast du eventuell schon einmal an einer Bananenkiste im Supermarkt gesehen.
8. Manche mögen's heiß
Tomaten kannst du jedes Jahr aufs Neue im Garten, am Balkon oder sogar auf der Fensterbank ziehen, sie sind einjährige, krautige Gesellen. Mit einem kleinen Tomatenhaus kannst du die Ernte bis zu einen Monat vorziehen und von Juni bis in den November hinein ernten. Wenn du hier auch noch früh-, mittel- und spätreifende Sorten kombinierst, kannst du fast ein halbes Jahr deine eigenen Paradeiser wachsen lassen. Im Freiland, ohne zusätzlichen Wärmeschutz, ist Juli bis Oktober realistisch.
Je nach Platzangebot kannst du zwischen Busch- und Stabtomaten wählen. Bei den Stabtomaten wird ein einziger Trieb hochgezogen und dieser wird gern mal eineinhalb Meter hoch. Im Gegensatz zu den stark verzweigten Buschtomaten solltest du hier fleißig „ausgeizen“. Das bedeutet, dass die Seitentriebe der Pflanze in den Blattachseln möglichst früh und klein entfernt werden. Die Pflanze verpufft ihre Energie sonst in ihre seitlichen Auswüchse und die Früchte werden wenig g´schmackig und bleiben mickrig. Daher keine Hemmungen!
Die Tomate ist an sich eine durchaus pflegeleichte Einsteigerpflanze, die viel Freude macht. Achte bitte nur auf gleichmäßige und konstante Bewässerung. Sie ist eine wahre Trinkerin, unterschätze ihren Durst nicht. Am besten machst du täglich die „Fingerprobe“ der Erdfeuchte.
Unsere Tomaten sind selbstbestäubend, du brauchst also keine männliche und weibliche Pflanze wie etwa bei der Kiwi. Als „Vibrationsbestäuber“ ist sie aber trotzdem auf Wind und Insekten angewiesen. Wenn du wenig Insekten zu Besuch hast, solltest du die Blütenstände häufig „trillern“ – also beklopfen, damit der Blütenpollen auf die Narben fällt. Sonst folgt auf die Blüte keine Tomate.
9. Wo unsere Tomaten herkommen
Ganz so romantisch wie bei dir zu Hause läuft die Großproduktion natürlich nicht ab. Der Freilandanbau wird ausschließlich von Hobbygärtner*innen betrieben. Weltweit gesehen ist China der größte Tomatenproduzent und liefert ein Drittel der weltweit konsumierten Tomaten.
Österreich kann knapp 20 Prozent der verspeisten Tomaten selbst erzeugen und dies passiert vor allem im Osten des Landes. Wien produziert – vielleicht für manche überraschend – ein Drittel der Gesamtmenge. Auch hierzulande erfolgt dies vor allem in Gewächshäusern und Folientunneln. Die Pflanzen wachsen häufig in Steinwolle oder Kokosfasern anstatt in Erde und werden mit Nährlösung umspült.
10. Zum Schluss noch was von Hummeln und Blumen
Dank ihrer Körpermasse eignen sich Hummeln ausgezeichnet zur bereits erwähnten Vibrationsbestäubung. Da die Tomatenproduzenten mit dem Trillern zur Bestäubung nicht nachkommen würden, züchtet man Hummelvölker, die in den Glashäusern eingesetzt werden, um die Blüten ordentlich durchzuschütteln. Leider ergeben sich ökologisch unschöne Folgen und Gefahren im Umgang mit diesen fleißigen Tierchen.
Die Zuchthummeln werden für diese Arbeit weltweit in großem Umfang eingesetzt und ein Freikommen aus den Glashäusern sollte eigentlich um jeden Preis unterbunden werden. Wie realistisch das ist, kann man sich in diesem Szenario jedoch ausmalen. Das Auftreten neuer Parasiten und Krankheiten bei dieser Art von Massentierhaltung ist kaum zu verhindern und wurde bereits nachgewiesen. Die Übertragung der neuen Krankheiten stellt leider eine weltweite Bedrohung für alle lokal beheimateten Hummelarten dar.