Rumänien hat sich von Coca-Cola unterstützen lassen, Österreich von Audi, Bulgarien von BMW: Sponsoring-Praktiken im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft sind hoch umstritten. foodwatch fordert ein Verbot dieser Praxis.
Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union rotiert unter den 27 EU-Mitgliedstaaten im Halbjahres-Rhythmus. Ab Juli übernimmt ihn Deutschland. Es wäre die Chance für die Bundesregierung, endlich Schluss zu machen mit dem Sponsoring von Unternehmen für die Präsidentschaften – eine Praxis, die seit Jahren existiert. 2018 hat sich Österreich zum Beispiel von Audi und der Versicherungsgruppe VIG sponsern lassen, Bulgarien vom Verband der bulgarischen Getränkeindustrie und von BMW. 2011 unterstützte Coca-Cola die polnische Präsidentschaft. Unter anderem lieferte der Konzern 140.000 Liter Getränke für die Meetings. Zur gleichen Zeit wurde die EU-Lebensmittelinformationsverordnung beschlossen und eine EU-weit verbindliche Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben verhindert.
EU-Ombudsstelle warnt vor „Reputationsschaden“
Zuletzt kritisierte foodwatch, dass Coca-Cola auch die rumänische Ratspräsidentschaft sponsorte. 2019 hatte sich foodwatch wegen des Coca-Cola-Sponsorings der rumänischen Präsidentschaft mit einer Beschwerde an die Europäische Ombudsstelle gewandt. Auch die Ombudsstelle warnt "vor einem Reputationsschaden für die Neutralität der Präsidentschaft".
Im Mai dieses Jahres erklärte der Europäische Rat, womöglich „Best-Practice-Leitlinien“ einführen zu wollen. Solche freiwilligen Leitlinien sind jedoch unzureichend. Während der bevorstehenden EU-Präsidentschaft muss Deutschland dafür sorgen, dass ein verbindliches Verbot von Unternehmenssponsoring eingeführt wird. Alles andere ist eine verpasste Chance und würde das Misstrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger in die Institutionen der EU schüren.
Die europäischen Staaten geben wegen der Corona-Krise Milliarden Euro für die Rettung der Wirtschaft aus. Sie sollten es sich leisten können, die EU-Präsidentschaften ohne Geschenke von Unternehmen auszurichten.Internationale Kampagnendirektorin von foodwatch International
Lässt sich Deutschland weiter sponsern?
Im Mai äußerte sich der Repräsentant der Ständigen Vertretung von Deutschland in Brüssel, Michael Clauß, zu Sponsoring-Maßnahmen gegenüber foodwatch so: „Der Verzicht auf Sponsoring wird als politisches Zeichen der Unabhängigkeit betrachtet und soll zeigen, dass die Durchführung der EU-Ratspräsidentschaft ohne Sponsoring durch die Privatwirtschaft möglich ist.“ Diese Erklärung steht jedoch im Widerspruch zu Protokollen aus einer Ratssitzung vom Februar. Demnach hat die deutsche Präsidentschaft „einige Sponsoring-Verträge mit kleineren lokalen Unternehmen“ abgeschlossen, um „informelle regionale Veranstaltungen“ zu unterstützen.Was denn nun: Beabsichtigt die deutsche Ratspräsidentschaft, während ihrer Präsidentschaft in irgendeiner Form Sponsoring anzunehmen oder nicht? Die Bundesregierung muss unverzüglich bekannt geben, welche dieser Aussagen zutrifft und welche Unternehmen die Ratspräsidentschaft unterstützen.
Für foodwatch ist klar: Wenn ein Mitgliedstaat während seiner EU-Präsidentschaft Lebensmittel, Getränke, Transportmittel oder eine andere Art von Waren oder Dienstleistungen braucht, dann muss er diese einfach auf normalem Wege beschaffen und dafür einen fairen Preis bezahlen. Es besteht absolut keine Notwendigkeit für Sponsoring. Hinterzimmer-Geschäfte und Unternehmens-Sponsoring gehören abgeschafft!
Quellen und weiterführende Informationen
- Protokoll des Treffens des Europäischen Rats zum Thema Sponsoring am 7. Februar 2020 (englisch)
- Brief des Repräsentanten Deutschlands bei der EU an foodwatch
- Stellungnahme der EU-Ombudsstelle (englisch)
- PM: foodwatch kritisiert Coca-Cola-Sponsoring (26.02.2019)
- Europäisches Parlament zur finanziellen Transparenz