Das als „klimaneutral“ beworbene Hähnchenbrustfilet der Rewe-Eigenmarke Wilhelm Brandenburg erhält den Negativpreis Goldener Windbeutel. Die Klimalüge ist somit die dreisteste Werbelüge des Jahres. foodwatch wollte dem Handelsunternehmen die Trophäe persönlich überreichen – am Rewe-Firmensitz in Köln.
Bei der Online-Abstimmung Goldener Windbeutel haben rund 28 Prozent der mehr als 63.000 Teilnehmer:innen das als „klimaneutral“ beworbene Hähnchenbrustfilet der Rewe-Eigenmarke Wilhelm Brandenburg zur dreistesten Werbelüge des Jahres gewählt.
Mit der Werbung erweckt Rewe den Eindruck, dass sich die Produktion des Hähnchens nicht schädlich auf das Klima auswirkt. Tatsächlich wird das Hähnchenbrustfilet jedoch weder emissionsfrei hergestellt noch wird der bei der Produktion anfallende CO2-Ausstoß ausgeglichen. foodwatch-Recherchen belegen sogar: Das Wald-Projekt in Peru, durch das die Treibhausgas-Emissionen angeblich kompensiert wurden, schützt den dortigen Wald nicht.
Fleisch als „klimaneutral“ zu bewerben, ist zudem grundsätzlich irreführend. Denn Dreiviertel aller Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft entfallen auf die Tierhaltung.
Rewe rechnet Fleisch mit falschen CO2-Zertifikaten klimafreundlich und täuscht damit umweltbewusste Verbraucher:innen. Grüne Werbelügen auf unökologischen Produkten müssen gestoppt werden!Wahlleiter beim Goldenen Windbeutel 2021
Neben dem Hähnchenbrustfilet von Rewe waren vier weitere Produkte für den Goldenen Windbeutel 2021 nominiert. Mehr als 63.000 gültige Stimmen gingen im Wahlzeitraum seit Mitte November ein.
Das Wahlergebnis im Detail
1. Platz: Hähnchen Brustfilet von Rewe (17.661 Stimmen, entspricht rund 27,8 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen)
2. Platz: Volvic Mineralwasser von Danone (17.031 Stimmen, 26,8 Prozent)
3. Platz: Mövenpick Kaffeekapseln von J.J. Darboven (9.930 Stimmen, 15,6 Prozent)
4. Platz: Wunderland + Vitamine von Katjes (9.894 Stimmen, 15,6 Prozent)
5. Platz: Clean Protein Bar von Naturally Pam by Pamela Reif (8.972 Stimmen, 14,1 Prozent)
Preis-Übergabe vor Rewe-Firmensitz in Köln
Mit einer Aktion an der Rewe-Zentrale in Köln hat foodwatch versucht, den Negativpreis an die Konzernführung zu überreichen. Eine lebensgroße Hähnchenverpackung protestierte mit dem Schild „Ich will keine Klimalüge sein!“. Die Aktivist:innen standen jedoch vor verschlossenen Türen: Rewe stand für ein Gespräch nicht zur Verfügung. In einer schriftlichen Stellungnahme hatte der Handelskonzern die Kritik bereits zurückgewiesen: Der Anbieter Climate Partner, über den die Supermarkkette die CO2-Zertifikate gekauft hatte, hätte versichert, die foodwatch-Vorwürfe seien unbegründet, so Rewe.
Rewe zeigt kalte Schulter
Mit seiner Weigerung, den Preis anzunehmen, zeigte Rewe den Verbraucher:innen die kalte Schulter. Es bleibt dabei: Der Ausgleich eigener Emissionen über den Kauf von C02-Zertifikaten ist ein moderner Ablasshandel, mit dem Unternehmen ruckzuck auf dem Papier „klimaneutral“ werden können – ohne selbst ernsthaft etwas für mehr Klimaschutz tun zu müssen. Da verwundert es nicht, dass die Profiteure dieses Geschäftsmodells – in diesem Fall Rewe und Climate Partner – sich gegenseitig eine weiße Weste bescheinigen
Kritik an Kompensationsprojekt in Peru
Für die vermeintliche „Klimaneutralität“ der in Bayern verkauften Wilhelm Brandenburg-Geflügelprodukte kompensiert Rewe Treibhausgas-Emissionen über den Anbieter Climate Partner. Dafür werden ausschließlich Zertifikate eines Projekts zum Waldschutz in Tambopata/ Peru gekauft. Eine foodwatch-Recherche hat jedoch gezeigt: Das Projekt erfüllt nicht die grundlegenden Anforderungen an Kompensationsprojekte. Es schafft keinen zusätzlichen Nutzen für das Klima. Nach Projektbeginn hat die Entwaldung nicht wie versprochen abgenommen, sondern sogar zugenommen.
Abmahnung gegen Rewe ohne Erfolg
foodwatch hatte Rewe sowie die Lohmann & Co. AG (PHW-Gruppe), die das Hähnchenbrustfilet im Auftrag von Rewe herstellt, Anfang Dezember wegen irreführender Klima-Werbung abgemahnt. Beide verweigerten die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung. Das Unternehmen Climate Partner warf foodwatch methodische Fehler vor, ohne jedoch wichtige Quellen und Berechnungen transparent zu machen. Ein wissenschaftliches Gutachten des unabhängigen Öko-Instituts bestätigte indes die Stichhaltigkeit wesentlicher Kritikpunkte von foodwatch am Tambopata-Projekt.
Goldener Windbeutel zum elften Mal verliehen
Um auf das Problem der Verbrauchertäuschung im Lebensmittelbereich hinzuweisen, verleiht foodwatch seit 2009 den Goldenen Windbeutel – 2021 zum elften Mal. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Trinkjoghurt Actimel von Danone (2009), die Milch-Schnitte von Ferrero (2011) und das „Smart Water“ von Coca-Cola (2018). Vergangenes Jahr gewann der Käsereikonzern Hochland für seinen Grünländer Käse, der mit „Milch von Freilaufkühen“ warb – die Tiere standen aber tatsächlich im Stall. Hochland änderte daraufhin die Verpackung.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Foto von der Verleihung des Goldenen Windbeutels an Rewe (© foodwatch / Henning Kaiser)
- Grafik: Abstimmungsergebnis der Wahl zum Goldenen Windbeutel 2021
- Grafik: Der Gewinner des Goldenen Windbeutels 2021
- Factsheet zum Gewinner Rewe
- Kurzanalyse des Öko-Instituts zur foodwatch-Kritik an falschen CO2-Zertifikaten von Climate Partner
- Foodwatch-Recherche zum Tambopata-Projekt in Peru
- Abmahnung gegen Rewe und PHW (Pressemitteilung 02.12.2012)
- Stellungnahme von Rewe als Reaktion auf foodwatch-Abmahnung
- Fotostrecke mit allen Kandidaten zum Download
- Factsheets mit weiteren Infos zu den Kandidaten
- Schnittbilder und Bewegtbildmaterial
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