Umstrittene Lebensmittelbuch-Kommission auf dem Prüfstand
- Produktbezeichnungen
Das Bundesernährungsministerium stellt die Zukunft der Lebensmittelbuchkommission in Frage. Was wir unter einem „Früchtetee“ oder einer „Kalbfleisch-Leberwurst“ verstehen sollen, das legt bislang das kaum bekannte Gremium fest – mit immer wieder irreführenden Ergebnissen. Kern der Kritik: Die Kommission tagt im Geheimen, und gegen die Lobbyisten der Lebensmittelwirtschaft kann keine Entscheidung fallen. Nun könnte es zu Veränderungen kommen.
Die in der Öffentlichkeit kaum bekannte Lebensmittelbuch-Kommission erstellt die sogenannten Leitsätze für Lebensmittel, die beispielsweise festlegen, was unter einem „Früchtetee“ oder einer „Kalbfleisch-Leberwurst“ zu verstehen ist. Bisher werden die Kommissions-Mitglieder vom Ernährungsministerium berufen, doch sind sie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ihre Beratungsprotokolle und Abstimmungsergebnisse bleiben unter Verschluss. Nur Das Ergebnis ihrer Arbeit, die sogenannten „Leitsätze“, werden im „Deutschen Lebensmittelbuch“ veröffentlicht. Mit in der Kommission sitzen auch Vertreter der Lebensmittelwirtschaft – und die Abstimmungsmodalitäten wollen es so, dass gegen sie keine Entscheidung zustande kommen kann.
Ministerium stellt Kommission in Frage
Eine „ergebnisoffene“ Evaluation von Kommission und Lebensmittelbuch im Auftrag des Bundesernährungsministeriums soll nun klären, ob das Gremium grundlegend überarbeitet werden muss. Aus Sicht von foodwatch besteht in jedem Falle Veränderungsbedarf. Immerhin sind alle Verbraucher von den Entscheidungen der Kommission betroffen. Denn die „Leitsätze“ sollen die „allgemeine Verkehrsauffassung“ von Lebensmitteln wiedergeben, seien es Back- oder Fleischwaren, Feinkostsalate oder Eiscremes. Und bei Rechtsstreitigkeiten greifen Gerichte häufig als Richtmaß darauf zurück. Rund 30.000 Verbraucher haben sich inzwischen der foodwatch-Forderungen nach Abschaffung der Lebensmittelbuchkommission in ihrer heutigen Form in einer Online-Petition angeschlossen.
foodwatch-Interview zur Evaluierung
foodwatch wurde jetzt im Rahmen der Evaluation der Lebensmitelbuchkommission in einem Gespräch interviewt und gibt die Antworten auch dem Ministerium und dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis. Die Forderung: Abschaffung der Lebensmittelbuch-Kommission und Einführung eines transparenten und demokratischen Verfahrens, das sicherstellt, dass die Lobbyisten der Ernährungsbranche nicht mehr im Geheimen verbraucherfreundliche Produktauslobungen und -Kennzeichnungen verhindern können.
Verbandsklagerecht einführen!
Der Gesetzgeber sollte eine obere Bundesbehörde wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) damit beauftragen, in einem transparenten Verfahren die Erwartungen der Verbraucher an die Bezeichnung von Lebensmitteln zu ermitteln. Repräsentative Verbraucherbefragungen zur Ermittlung der durchschnittlichen Verbrauchererwartung sollten obligatorisch für die Leitsatz-Entwicklung werden, so foodwatch. Und Verbraucherverbände sollten darüber hinaus die Möglichkeit erhalten, durch erweiterte Verbandsklagerechte Leitsätze gerichtlich überprüfen zu lassen (Normenkontrollverfahren). Gute Erfahrungen im Umweltrecht zeigen, dass das Verbandsklagerecht praktikabel ist und das Gemeinwohl effektiv schützt.