Die Limo-Steuer in Großbritannien hat dazu geführt, dass der Zuckergehalt von Softdrinks sinkt und die Menschen mehr zuckerfreie Getränke kaufen. Kommt die Abgabe auch in Deutschland?
Seit Einführung einer Limo-Steuer in Großbritannien haben Getränkehersteller den Zuckergehalt ihrer Produkte deutlich heruntergeschraubt. Forscher der Universität Oxford konnten in einer umfassenden Marktanalyse nachweisen, dass sogenannte Erfrischungsgetränke 2015 noch 4,4 Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthielten. 2019 waren es nur noch 2,9 Gramm pro 100 Milliliter – ein Rückgang um etwa 35 Prozent.
Konsum von zuckerfreien Alternativen steigt
Auch der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker über Getränke ist in diesem Zeitraum um 30 Prozent bzw. 4,6 Gramm pro Tag gesunken. Insgesamt ist der Studie zufolge der Absatz der von der britischen Abgabe erfassten mittelstark und stark gezuckerten Getränke um 50 Prozent zurückgegangen. Der Verkauf von Wasser sowie zuckerfreien und zuckerarmen Getränken, die nicht von der Abgabe erfasst werden, stieg hingegen um 40 Prozent an.
Die Limo-Steuer in Großbritannien hat zu einem Zuckersturz im Getränke-Regal geführt. In Deutschland hingegen reiht sich noch immer Zuckerbombe an Zuckerbombe.Recherche & Kampagnen
Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher – neben Großbritannien gehen mittlerweile etliche Staaten mit steuerlichen Anreizen aktiv gegen Fehlernährung, Fettleibigkeit und Diabetes vor, darunter Irland, Portugal, Estland, Belgien, Norwegen, Finnland und Frankreich. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner setzt hingegen auf freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie. Höchste Zeit, dass Julia Klöckner die Industrie in die Pflicht nimmt: Sie muss eine Herstellerabgabe auch in Deutschland einführen und im Gegenzug Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer befreien.
Strategie der Freiwilligkeit bislang gescheitert
Bisher hat Julia Klöckners freiwillige Reduktionsstrategie keine Wirkung gezeigt. Laut einer foodwatch-Marktstudie ist in Deutschland mehr als jedes zweite Erfrischungsgetränk überzuckert. Demnach enthalten 345 von insgesamt 600 untersuchten Getränken (58 Prozent) mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter - das sind mehr als vier Zuckerwürfel pro 250-Milliliter-Glas. Damit hat sich der Anteil überzuckerter Getränke auf dem deutschen Markt seit einer ersten Marktstudie von foodwatch im Jahr 2016 praktisch nicht verändert. Damals enthielten 59 Prozent der Getränke mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter.
Fanta in Deutschland enthält doppelt so viel Zucker
Die im März 2016 in Großbritannien verabschiedete und 2018 eingeführte Limo-Steuer sieht Abgaben für die Hersteller von Getränken vor, die mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten. Bei mehr als acht Gramm wird eine höhere Abgabe fällig. Bereits 2018 senkte der britische Marktführer Coca-Cola den Zuckergehalt seiner Getränke Fanta und Sprite unter die Fünf-Gramm-Marke (Fanta von 6,9 auf 4,6 Gramm und Sprite von 6,6 auf 3,3 Gramm). In Deutschland enthält Fanta noch mehr als neun und Sprite mehr als acht Gramm Zucker.
Britische Limo-Steuer hat einen Haken
Leider lässt die britische Limo-Steuer Süßstoffe bislang außen vor. Dadurch ersetzen einige Hersteller den Zucker durch Süßstoffe. Rezepturänderungen sollten jedoch darauf abzielen, nicht nur den Gehalt von Zucker, sondern den Süßgeschmack insgesamt zu verringern, um der allgemeinen Süßgewöhnung insbesondere bei Kindern und Jugendlichen entgegen zu wirken.
Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) bei Kindern sowie Erwachsenen haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Adipositas wird inzwischen als das am schnellsten wachsende Gesundheitsproblem eingestuft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sprechen in diesem Zusammenhang von einer globalen „Adipositas-Epidemie“. Die WHO bezeichnet zuckerhaltige Getränke als „eine der wesentlichen Ursachen“. Der Konsum dieser Getränke fördert nachweislich die Entstehung von Übergewicht sowie Typ-2-Diabetes und wird zudem mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte in Verbindung gebracht.