Symbolische Politik statt effektiver Maßnahmen
„Wir werden die Sicherheitsstandards erhöhen“, versprach Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner auf dem Höhepunkt des Dioxin-Skandals im Januar 2011. Medienwirksam präsentierte sie ihren umfassenden „Aktionsplan“, mit dem Verbraucher vor Gift im Essen geschützt werden sollten. Doch jetzt, rund zehn Wochen später, zeigt sich: Die tatsächlich ergriffenen Maßnahmen entpuppen sich vor allem als rein symbolische Politik.
Drei Wochen lang im Januar beherrschte das Thema Dioxin die Medien und die öffentliche Diskussion, und Verbraucher fragten sich: Wie sicher ist unser Essen? Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner geriet schnell in die Kritik – und versprach dann entschlossen zu handeln. Am 14. Januar 2011 stellte sie auf einer Pressekonferenz ihren „Dioxin-Aktionsplan“ vor. Das Papier umfasste zehn Punkte, von der Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe über die Trennung der Produktion von technischen Fetten und Futterfetten bis zur Erhöhung der Transparenz für Verbraucher. In Abstimmung mit den Bundesländern wurde der Maßnahmenkatalog später um vier weitere Punkte ergänzt. Ilse Aigner zieht mittlerweile eine positive Bilanz zur bisherigen Umsetzung: „Es gibt in Deutschland in Zukunft schärfere Kontrollen, eine dichtere Überwachung und höhere Auflagen für Lieferanten", teilt sie auf der Homepage ihres Ministeriums mit.
Testpflicht entscheidend
Die wirklich entscheidende Maßnahme war tatsächlich unter Punkt 3 des Aktionsplans vermerkt. Darin kündigte Ilse Aigner an, dass – wie von foodwatch gefordert – Betriebe zu Dioxintests verpflichtet werden sollen. Wörtlich hieß es: „Das BMELV (das Bundesverbraucherministerium, d. Red.) wird die Eigenkontrolle durch rechtliche Vorgaben untermauern und vorschreiben, dass Betriebe bei Futtermitteln eine Eingangsuntersuchung auf Dioxine (…) durchführen müssen.“ foodwatch fordert schon seit Jahren, dass Futtermittelhersteller verpflichtet werden, jede einzelne Charge jeder Futtermittelzutat auf Dioxine zu testen – und zwar bevor sie diese zu Mischfutter verarbeiten. Diesen Vorschlag griff Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner im Januar in ihrem Aktionsplan auf.
Zahlreiche Schlupflöcher
Doch nun ist klar: Die Umsetzung dieser angekündigten Testpflicht gerät durch großzügige Ausnahmen so löchrig wie Schweizer Käse. Der Futtermittelbranche bieten sich zahlreiche Schlupflöcher, die Tests zu umgehen. Es gelten weitreichende Ausnahmeregelungen, je nachdem in welche „Risikoklasse“ die zu testenden Futtermittelzutaten eingeordnet werden. So müssen viele Zutaten – zum Beispiel Fischerzeugnisse – lediglich bei jeder zweiten oder sogar nur jeder fünften Charge untersucht werden, und die Hersteller entscheiden selbst, welche Chargen sie testen – absurd. Erst am 31. März 2011 zog das Agrarministerium in Niedersachsen erneut Futtermittel aus dem Verkehr. Ursache: Eine Fischmehlfabrik hatte dioxinhaltiges Lachsöl an Futtermittelhersteller geliefert. Komplett von der Testpflicht ausgenommen ist Getreide. Auch dies ist völlig unverständlich, wurde der Skandal um dioxinhaltige Bio-Eier im Mai 2010 doch genau durch belastetes Getreide ausgelöst.
Durch die mangelhafte Umsetzung dieser entscheidenden Maßnahme konterkariert Frau Aigner somit auch die an sich richtigen Ideen ihres Aktionsplans. So gilt heute etwa eine strengere Zulassungspflicht für Futterfetthersteller. Unternehmen, die Futterfette produzieren, müssen darüber hinaus ihre Produktionsströme klar trennen: Fette und Öle zur Futter- und Lebensmittelherstellung dürfen nicht in denselben Anlagen verarbeitet werden wie solche für die industrielle Produktion. Außerdem unterliegen auch private Labore in Zukunft einer Meldepflicht bei erhöhten Dioxin-Werten. Doch all diese Maßnahmen greifen zu kurz, wenn nicht an der entscheidenden Stelle angesetzt wird, um die Dioxinbelastung der Bevölkerung zu senken: Verpflichtende Dioxin-Tests jeder einzelnen Charge jeder Futtemittelzutat, ohne großzügige Ausnahmeregelungen.