Der Klimawandel ist eines der drängendsten Probleme der Gegenwart. Viele Menschen fragen sich: Was kann ich als Einzelner tun? Bio-Lebensmittel kaufen, Ökostrom beziehen, mit der Bahn statt dem Flugzeug in den Urlaub fahren – das hört sich gut an. Doch bringt es was? foodwatch-Gründer Thilo Bode ist skeptisch.
Haben wir Verbraucherinnen und Verbraucher es in der Hand, die Welt zu retten?
Thilo Bode: Ja. Aber mit Sicherheit nicht, indem wir im Supermarkt die vermeintlich richtigen Produkte kaufen. Denn die Auswirkungen auf den Klimaschutz sind verschwindend gering – selbst wenn tatsächlich eine große Anzahl von Menschen ihr Verhalten ändern würde, was höchst unwahrscheinlich ist. Nehmen wir an, in Deutschland würden 10 Millionen Menschen von heute auf morgen von konventioneller Ernährung auf vegane Ernährung umsteigen, aufs Fliegen verzichten und öffentliche Verkehrsmittel nutzen, und auch ihren sonstigen Konsum stark einschränken. Zusammengenommen ließen sich so etwa 30 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Klingt gigantisch – macht aber nur etwa 3 Prozent des jährlichen Gesamtausstoßes Deutschlands aus. Das Abschalten eines einzigen großen Braunkohlekraftwerks brächte genauso viel!
Es ist also egal, ob ich SUV fahre, häufig fliege und jeden Tag Fleisch esse?
Im Hinblick darauf, ob meine Verhaltensänderung spürbar zur Minderung der globalen Erwärmung beiträgt: Ja. Das heißt aber nicht, dass gedankenloser Konsum in Ordnung ist. Ethisch verantwortlicher Konsum hat zum einen eine Vorbildfunktion, gerade auch für Kinder. Zum anderen ist er die Voraussetzung dafür, dass die notwendigen Veränderungen durch den Staat möglichst große Akzeptanz finden.
Und der Aufruf zu klimabewusstem Konsum ist doch besser als nichts, oder?
Da bin ich mir nicht so sicher. Ich sehe die Gefahr, dass den Leuten vorgegaukelt wird, dass sie durch Kaufentscheidungen die Welt verändern können. Das spielt gerade auch den Konzernen in die Hände, die natürlich überhaupt kein Interesse daran haben, dass die Politik ihnen strengere Regeln auferlegt. Die Tatsache, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nur Produkte nachfragen und kaufen können, aber keine Infrastruktur, fällt bei diesen Äußerungen unter den Tisch. Beispiel Autoverkehr: Die Nachfrage nach spritsparenden Automobilen schafft noch keine menschengerechten Innenstädte. Die Politik müsste das Verkehrssystem neu gestalten, also Radwege und Fußgängerzonen bauen, Tempolimits einführen, Gewicht und Größe von Autos regulieren, den öffentlichen Nahverkehr verbessern.
Ich kann als Einzelner also gar nichts tun?
Wenn ich mich einzig und alleine als Konsument verstehe, sind mir tatsächlich die Hände gebunden. Aber nicht als Verbraucheraktivist oder kritischer Bürger! Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich einzubringen: Ich kann wählen gehen, meinen Bundestagsabgeordneten in der Sprechstunde besuchen, mich in Bürgerinitiativen engagieren, auf Demonstrationen gehen, kritische Organisationen unterstützen. Das ist sicher unbequemer, als im Supermarkt zu den „korrekten“ Produkten zu greifen. Aber es kann etwas bewirken: Ein aktuelles Beispiel ist die Aktion „Rettet die Bienen“ in Bayern. Die Bürgerinitiative initiierte das bisher größte Volksbegehren, das jemals in Bayern stattfand. Fast 1,8 Millionen Menschen haben mit ihrer Unterschrift die bayerische Staatsregierung dazu gebracht, den Text des Referendums unverändert als Gesetz zu übernehmen. Und auch im Kleinen, auf lokaler Ebene, kann ich etwas bewegen: Menschen können sich zusammenschließen, um beispielsweise in ihrer Gemeinde ein traditionelles Wirtshaus oder einen traditionellen Bäcker zu erhalten. Damit löse ich natürlich noch nicht das Klimaproblem, aber ich verbessere mein Lebensumfeld und zeige, dass eine andere Welt möglich wäre. Aber ganz klar: Wenn es um die großen Herausforderungen wie den Klimawandel geht, ist die Intervention des Staates gefragt.
Thilo Bode ist Gründer und Internationaler Direktor von foodwatch.