foodwatch hat Aldi wegen Verbrauchertäuschung verklagt. Im Fokus: Die Werbekampagne des Discounters gegen das Töten männlicher Küken.
In Deutschland werden jährlich rund 45 Millionen männliche Küken in der Legehennenzucht getötet. Denn diese legen keine Eier und setzen auch kaum Fleisch an, daher lohnt sich die Aufzucht der „Bruderhähne“ wirtschaftlich nicht. Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen die grausame Praxis zwar ab. Handelsketten und Politik haben das Thema dennoch jahrelang ignoriert, denn das Kükentöten zu beenden hätte eine Abkehr von der Hochleistungszucht in der Legehennenhaltung bedeutet.
Jetzt auf einmal entdecken nun immer mehr Handelsketten ihr Herz für Küken. Der Grund: Es wurde eine technische Möglichkeit entwickelt, durch die das Geschlecht der Küken bereits im Brutei festgestellt werden kann. Durch das Verfahren sollen die männlichen Eier gar nicht erst ausgebrütet werden. Die aussortierten Eier werden stattdessen zum Beispiel in Futtermitteln weiterverarbeitet.
Kükentöten als Marketing-Thema
Mit dem Versprechen vom Ende des Kükentötens das Image aufzupolieren, ohne sich vom System der Hochleistungsproduktion zu verabschieden – das ist für die großen Handelsketten und Eierproduzenten attraktiv. Als einer der ersten großen Player auf dem Lebensmittelmarkt reagierte Aldi: „Als erster Lebensmittelhändler beendet Aldi das Kükentöten“ verkündete der Discounter im Frühjahr auf seiner Internetseite. Hört sich gut an.
Doch korrekt müsste das Werbeversprechen lauten: „Wir schaffen das Kükentöten bald ein bisschen ab“ oder „ALDI beendet das Kükentöten bis 2022 vielleicht etwas“. Denn Aldi verschwiegt, dass es nur um die als Schaleneier verkauften Eier geht – nicht aber um die Eier, die in Lebensmitteln wie Nudeln, Backwaren oder Fertiggerichten verwendet werden. Dabei steckt rund jedes zweite in Deutschland konsumierte Ei in verarbeiteten Lebensmitteln. Der Discounter will das Kükentöten also keinesfalls grundsätzlich, sondern nur für einen Teil seines Sortiments beenden. Obendrein suggeriert Aldi, man habe das Kükentöten bereits abgeschafft. Weit gefehlt: Das Unternehmen hat lediglich das Ziel ausgegeben, bis 2022 das Schaleneier-Sortiment umzustellen. Nach einer erfolglosen Abmahnung hat foodwatch nun Klage gegen Aldi beim Landgericht Essen eingereicht.
Aldi nutzt den Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher nach mehr Tierschutz schamlos aus und macht vollmundige Versprechen, die das Unternehmen nicht halten kann.Veterinärmediziner und internationaler Kampagnendirektor bei foodwatch
Lidl stoppt Kükentöten-Werbung
Neben Aldi hatte foodwatch auch die Handelskette Lidl für seine Kükentöten-Kampagne abgemahnt. Lidl versprach in Werbeprospekten und auf einer Internetseite unter dem Titel „Schluss mit Kükentöten“, dass man mit der grausamen Praxis „jetzt Schluss“ mache. Dabei bezog sich auch Lidl lediglich auf die schrittweise Umstellung seines Schaleneier-Sortiments. Das Unternehmen lenkte ein und stoppte seine Kükentöten-Werbung. Gegenüber foodwatch bestätigte die Handelskette, „dass Lidl die von Ihnen monierte Werbung nicht mehr verwendet“ .
Geschlechtsbestimmung zementiert Probleme in der Hühnerhaltung
Doch weder Aldi und Lidl steuern in Richtung einer nachhaltigeren Eierproduktion. Ein Ende des Kükentötens durch die Geschlechtsbestimmung im Ei heißt nämlich nicht, dass die vielen Millionen Legehennen in Deutschland auch nur einen Hauch besser vor massenhaften Leiden geschützt werden. Denn das Kükentöten selbst ist nur ein Symptom eines die Tiere krank machenden Agrarsystems.
Das eigentliche Problem sind die einseitig hochgezüchteten Hühnerrassen: Die auf maximale Legeleistung getrimmten Hennen produzieren wie am Fließband Eier – und leiden dabei oft unter Schmerzen und Knochenbrüchen, weil ihnen die vielen Eier das Kalzium für den eigenen Skelettbau entziehen. Und die Aufzucht der „Bruderhähne“ lohnt wirtschaftlich nicht, weil die Hähne der Legehühner kaum Fleisch ansetzen. Masthühner wiederum sind nur darauf gezüchtet, möglichst schnell Fleisch anzusetzen und können körperlich der enormen Geschwindigkeit ihrer Gewichtszunahme nicht standhalten – schlachtreif in 35 Tagen, nach einem Leben voller Schmerzen.
foodwatch fordert Umstellung auf Zweinutzungshuhn
In der Hühnerhaltung muss grundsätzlich umgesteuert werden. foodwatch fordert, statt der Geschlechtsbestimmung im Ei auf Zweinutzungshühner zu setzen. Diese robusteren und weniger krankheitsanfälligen Rassen eignen sich sowohl für die Eier- als auch zur Fleischproduktion.
Zudem braucht es dringend gesetzliche Vorgaben, die dafür sorgen, dass der Gesundheitszustand in jedem Tierhaltungsbetrieb genau erfasst und ausgewertet werden muss. Die allermeisten Krankheiten sind nämlich vermeidbar.
Wir haben ein Recht darauf, dass uns keine Eier von kranken und teils unter massiven Schmerzen leidenden Hühnern vorgesetzt werden – egal, ob ihre Eier als Schaleneier verkauft werden oder in verarbeiteten Produkten landen.