Nachricht 25.08.2021

Marktstudie: Fast alle Kinderlebensmittel sind ungesund

foodwatch/Tina Westiner

Mehr als 85 Prozent der an Kinder beworbenen Lebensmittel sind ungesund. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue foodwatch-Studie. Die freiwillige Selbstregulierung der Lebensmittelindustrie für ein verantwortungsvolleres Kindermarketing ist somit gescheitert.

Marktstudie Kinderlebensmittel

foodwatch hat 283 Lebensmittel untersucht, die an Kinder beworben werden. Dabei wurde die Nährstoffzusammensetzung aller Produkte, die sich in Marketing oder Werbung direkt an Kinder richten, mit den Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an ausgewogene Lebensmittel abgeglichen.  Das Ergebnis: 242 der untersuchten Produkte (85,5 Prozent) sind ungesund und enthalten zu viel Zucker, Fett und/oder Salz. Sie sollten nach Kriterien der WHO eigentlich gar nicht erst an Kinder vermarktet werden. Das zeigt: Weder Politik noch Wirtschaft haben ihre Versprechungen für einen besseren Schutz von Kinder und Jugendlichen vor Junkfood-Werbung gehalten. Auch im Vergleich zu einer foodwatch-Studie von 2015 hat sich nicht viel getan: Damals waren 89,1 Prozent der Produkte nach WHO Maßstäben ungesund. 

Selbstverpflichtung der Industrie wirkungslos

Die aktuelle Studie umfasst Produkte von insgesamt 16 Lebensmittelkonzernen, die schon 2007 eine Selbstverpflichtung zu verantwortungsvollerem Kindermarketing („EU Pledge“), unterschrieben haben – darunter Nestlé, Danone und Unilever. Darin hatten alle Konzerne erklärt, ihr Kindermarketing verantwortungsvoller zu gestalten. Die Realität sieht anders aus: 10 der 16 untersuchten Konzerne machen heute  ausschließlich Werbung für ungesunde Produkte, darunter Ferrero, Pepsico, Mars, Unilever und Coca-Cola. Die größte Anzahl an unausgewogenen Produkten bewerben Nestlé (44 Produkte), Kellogg‘s (24 Produkte) und Ferrero (23 Produkte).

In unserer Bilderstrecke finden sich eine Auswahl der getesteten Produkte und erschreckende Zahlen:

Kinderprodukte im Test: 85% ungesund

Fotostrecke
„Produkte, die an Kinder beworben werden, sind in erster Linie Zuckerbomben und fettige Snacks. Daran haben auch freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie nichts geändert."
Oliver Huizinga Kampagnendirektor bei foodwatch

Jeder fünfte Todesfall insbesondere wegen ungesunder Ernährung

Bislang setzt Bundesernährungsministerin Julia Klöckner zum Schutz von Verbraucher*innen vor allem auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Neben dem EU Pledge haben sich Unternehmen in Deutschland in Absprache mit Frau Klöckner dazu verpflichtet, Zucker, Fett und Salz in ihren Lebensmitteln zu reduzieren. Die neue foodwatch-Studie zeigt jedoch: Die freiwillige Reduktionsstrategie zeigt kaum Wirkung. So verkündet Frau Klöckner, dass der Zuckergehalt von Kinder-Joghurt seit 2015 um 20 Prozent gesunken sei. Trotzdem enthalten nach wie vor fast alle Joghurts deutlich mehr Zucker als die WHO empfiehlt. Dabei könnten die Folgen unausgewogener Ernährung kaum dramatischer sein: Laut Angaben der OECD wird in Deutschland etwa jeder 5. Todesfall insbesondere von einer ungesunden Ernährung verursacht.

Weitere Fakten und Ergebnisse der Studie finden Sie hier:

Kindermarketing: Die Zahlen

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Gesetzliche Beschränkungen in den Koalitionsvertrag!

Die Union, jahrelang in der Regierungsverantwortung, hat sich mit Blick auf eine gesetzliche Regulierung der Werbewirtschaft bislang quergestellt. So mahnte CDU/CSU Kanzlerkandidat Armin Laschet zwar vor kurzem in der Lebensmittelzeitung zu besonderer Vorsicht im Umgang mit Kindern und Jugendlichen, „die Werbeaussagen noch nicht richtig einordnen können“. Verbote sieht er dabei nicht zwingend als Lösung und verweist auf die freiwilligen Leit- und Verhaltensregeln der Werbewirtschaft.

Die foodwatch-Marktstudie beweist das Gegenteil: Rein freiwillige Maßnahmen der Lebensmittelindustrie reichen nicht aus. Nach wie vor trägt die Lebensmittelindustrie mit ihren Marketing-Methoden zur Fehlernährung der Kinder bei. Es braucht Gesetze, um die Lebensmittelkonzerne zur Zuckerreduktion zu bewegen. Nur für gesunde Lebensmittel sollte an Kinder gerichtetes Marketing erlaubt sein. Neben foodwatch setzen sich auch zahlreiche medizinische Fachgesellschaften und die WHO für solche Werbebeschränkungen ein und fordern, dass diese im Koalitionsvertrag verankert werden.