Bitterstoffe: gesund oder ein Warnsignal aus der Natur?
Ernährungsberaterin Alice Luttropp antwortet:
Bittere Gemüsesorten wie Artischocke, Chicorée, Fenchel, Radicchio, Endivie oder Rosenkohl sind nicht bei Allen gern gesehene Gäste auf dem Gemüseteller. Grapefruits sind unter den Obstsorten wohl die bekannteste, wenn es um Bitterstoffe geht. Im Sommer haben zudem bittere Getränke wie Campari oder Aperol Spritz Hochkonjunktur. Aber was können bittere Lebensmittel wirklich?
Bitter gehört zu den fünf Geschmacksrichtungen neben süß, sauer, salzig und umami. Bitter gilt als die unbeliebteste Geschmacksrichtung, dabei kann sie gesund sein – wenn man sie richtig einsetzt. Vor allem im Volksmund wird gesagt, dass Bitterstoffe gesund für die Verdauung seien. Bitterstoffe kommen als sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe in Obst und Gemüse vor, gelten als entzündungshemmend, sollen das Immunsystem stärken und die Wundheilung unterstützen sowie sich positiv auf den Gallenfluß, den Cholesterinspiegel und das Herz-Kreislaufsystem auswirken. Viele innere Organe haben Rezeptoren für Bitterstoffe; so können sie dort direkt ihre gesundheitsfördernde Wirkung entfalten.
Verdauungsförderung durch Bitterstoffe?
Nachweislich unterstützen Bitterstoffe den Verdauungstrakt und wirken sich positiv auf die Magenaktivität und die Insulinproduktion aus. Auch der Speichelfluss wird angeregt. Bitterstoffe machen damit Nahrung bekömmlicher und können Blutzuckerspitzen verhindern. Der Einsatz von Bitterstoffen bei sehr fettiger, reichhaltiger Nahrung kann sich also positiv auswirken, wenn man z.B. mit einer Vorspeise wie Löwenzahn-, Fenchel-, Rucola- oder Chicorée-Salat beginnt oder eine mit Kräutern gewürzte Suppe oder Soße verzehrt. Nicht umsonst enthalten klassische Soßenrezepte viele solcher bitterstoffhaltigen Kräuter wie Estragon, Kerbel, Lorbeerblatt oder Liebstöckel. Sie bereiten den Körper gut auf die Nahrungsaufnahme und insbesondere die Fettverdauung vor. Außerdem hemmen Bitterstoffe das Hungergefühl – man greift also nicht maßlos zu, wenn man zuvor schon bittere Produkte gegessen hat. Viele Bitterstoffe machen satt und drosseln das Verlangen nach Süßigkeiten bzw. einen Nachtisch.
Doch Vorsicht! Bittere alkoholische Getränke wie Campari, Aperol oder Absinth sind zwar bitter, aber mit Alkohol versetzt. Dieser macht den Verdauungstrakt träge und lähmt ihn für den Verdauungsvorgang. Daher ist ein bitteres alkoholisches Getränk wie der berühmte bittere „Verdauungsschnaps“ kontraproduktiv. Besser man greift als sogenanntes „Digestif“ zum bitteren Espresso oder Kaffee um die Verdauung zu unterstützen. Und eine bittere Schokolade mit hohem Kakaoanteil ist eine Alternative zu anderen Desserts.
Wie gewöhne ich mich an Bitterstoffe?
Aus der Evolution heraus hat der Körper gelernt, dass Bitterstoffe ein Warnsignal für giftige Pflanzen sein können. Pflanzen schützen sich so vor natürlichen Fressfeinden. Bitter wird also von Natur aus häufig als unangenehm empfunden. Zudem werden mittlerweile viele Lebensmittel zusätzlich gesüßt und Bitterstoffe zum Beispiel aus Gurken herausgezüchtet. In der Küche werden bittere Gemüseteile wie z.B. der Strunk des Chicorées herausgeschnitten und nicht mehr mitserviert. Wir nehmen also die Geschmacksrichtung bitter besonders intensiv wahr, weil wir sie nicht mehr gewohnt sind und weil sie uns an ein Warnsignal erinnert. Hinzu kommt, dass die Geschmackssensoren auf der Zunge auf süße Geschmacksreize deutlich angenehmer reagieren.
Mein Tipp: Je öfter man bittere Dinge isst, desto mehr gewöhnt man sich daran. Man kann zunächst in den Salat nur kleine Anteile an bitteren Sorten mischen und diese nach und nach erhöhen. Röstaromen mildern zudem Bitterstoffe ab, wenn man also bitteres Gemüse kurz anbrät, schmeckt es milder. Ergänzt man zudem süß-säuerliche Lebensmittel wie Tomaten, mildern diese ebenfalls den bitteren Geschmack ab.
Zuviel des Guten auch hier möglich
Allerdings: Bitterstoffe können den Magen auch reizen, z.b. bei manchen Vorerkrankungen. Wer den ganzen Tag lang ausschließlich Kaffee oder grünen Tee trinkt, lebt nicht automatisch gesünder. Bitterstoffe sind zwar gesundheitsförderlich aber wie bei allen Dingen nur in Maßen.