Ist eine vegane Ernährung gesund?
Zum Start ins neue Jahr entscheiden sich viele Menschen für eine vegane Ernährung. Ein „Veganuary“, oder gar ein noch langfristigerer Verzicht auf Fleisch und andere tierische Lebensmittel, wird dabei häufig aus Gründen des Tier- oder Klimaschutzes angestrebt. Und das zurecht: Wir müssen den Konsum tierischer Lebensmittel tatsächlich reduzieren, um unsere Umwelt und das Klima zu schonen. Doch wie wirkt sich eine rein pflanzenbasierte Ernährungsweise auf unsere Gesundheit aus? Kann sie den Körper optimal mit allen notwendigen Nährstoffen versorgen, oder birgt sie Risiken?
Ernährungsforscher Dr. Stefan Kabisch von der Berliner Charité antwortet:
Beobachtungsstudien zeigen, dass Menschen, die auf Fleisch und andere tierische Lebensmittel verzichten, tendenziell gesünder leben: Sie haben ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und starkes Übergewicht. Doch diese Studien können keine Kausalität beweisen: Veganer:innen achten oft stärker auf ihre Gesundheit, bewegen sich mehr und rauchen weniger. All diese Faktoren tragen zu den beobachteten Vorteilen bei.
Für wirklich belastbare Aussagen wären randomisierte Langzeitstudien notwendig, die bislang jedoch in der gesamten Ernährungsforschung selten sind. Die wenigen verfügbaren Studien zur veganen Ernährung waren allesamt von relativ kurzer Dauer; sie zeigen zwar positive Effekte auf Cholesterinwerte und Entzündungsmarker, können jedoch keine Aussagen über Langzeitauswirkungen treffen.
Braucht man Nahrungsergänzungsmittel?
Nahrungsergänzungsmittel sind bei einer rein veganen Ernährung so gut wie unverzichtbar. Insbesondere Vitamin B12 ist kritisch, da es fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Es spielt eine zentrale Rolle für die Blutbildung und das Nervensystem, und ein Mangel kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Auch andere Nährstoffe wie Eisen, Zink, Jod oder langkettige Omega-3-Fettsäuren erfordern besondere Aufmerksamkeit. Die Supplementierung sollte immer gezielt und auf Basis von Blutwerten erfolgen. Einfach ins Blaue hinein irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel in ggf. hoher Dosis einzunehmen, ist nicht sinnvoll.
Wie steht es um die Proteinversorgung?
Die Versorgung mit Eiweiß ist eine häufig diskutierte Herausforderung bei veganer Ernährung. Tierisches Protein hat eine hohe biologische Wertigkeit, da die Aminosäureverteilung – die Bausteine der Proteine – optimal auf die Bedürfnisse des menschlichen Körpers abgestimmt ist. Pflanzliche Proteine hingegen weisen oft ein etwas weniger günstiges Aminosäureprofil auf, wenn man sie einzeln betrachtet.
Doch mit einer geschickten Kombination verschiedener pflanzlicher Eiweißquellen lässt sich die Wertigkeit ausreichend verbessern. So ergänzen sich beispielsweise Hülsenfrüchte wie Linsen oder Bohnen hervorragend mit Vollkornprodukten.
Eine ausgewogene vegane Ernährung kann den Proteinbedarf gut decken, jedoch erfordert dies etwas Planung. Hier einige Tipps für die Praxis:
- Morgens: Haferflocken lassen sich mit Sojaflocken oder Nüssen ergänzen, um den Eiweißgehalt zu erhöhen.
- Mittags: Seitan (Weizenprotein) oder Tofu bieten eine proteinreiche Basis für herzhafte Gerichte.
- Abends: Eine Kombination aus Hülsenfrüchten wie Linsen oder Kichererbsen und Vollkornreis sorgt für eine optimale Eiweißversorgung mit gesunden Kohlehydraten.
Für Menschen mit erhöhtem Proteinbedarf, etwa Sportler:innen, können vegane Proteinpulver eine sinnvolle Ergänzung sein. Doch sie sind kein Muss: Mit guter Planung und einem gezielten Griff zu proteinreichen pflanzlichen Lebensmittel ist eine vegane Ernährung auch für Leistungssportler:innen und Bodybuilder möglich.
Ob vegan oder nicht-vegan: Für besonders aktive und sportliche Menschen, zum Beispiel Ausdauersportler:innen, ist eine ausreichende Proteinversorgung mit veganer Ernährung sogar einfacher als für körperlich inaktivere Menschen: Sie haben einen höheren Energiebedarf und nehmen über ihre Lebensmittel automatisch mehr Proteine zu sich, als Menschen die 1.000 bis 2.000 Kilokalorien weniger am Tag zu sich nehmen.
Sind vegane Ersatzprodukte gesund?
Vegane Alternativen wie Fleischersatz oder Milchersatzprodukte sind inzwischen überall erhältlich. Sie enthalten oft viele Proteine und sind dann ein wichtiger Baustein einer veganen Ernährung. Doch die Vielfalt birgt eine große Spannbreite in der Qualität. Einige Produkte sind tatsächlich gesünder als ihr tierisches Pendant, weil sie weniger gesättigte Fettsäuren, Cholesterin oder gesundheitsschädliche Zusatzstoffe enthalten. Andere hingegen sind stark verarbeitet und enthalten – ähnlich wie manche tierische Produkte – hohe Mengen an Palmfett, Salz oder anderen kritischen Zusatzstoffen.
Besonders problematisch ist der oft hohe Gehalt an gesättigten Fettsäuren in veganen Produkten. Palmfett, das häufig als Konsistenzgeber verwendet wird, unterscheidet sich ernährungsphysiologisch kaum von tierischem Schmalz. Es kann entzündliche Prozesse fördern und vermutlich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.
Ein genauer Blick auf die Zutatenliste hilft, zwischen qualitativ hochwertigen und weniger empfehlenswerten Ersatzprodukten zu unterscheiden.
Was kostet eine vegane Ernährung?
Eine ausgewogene vegane Ernährung kann teurer sein als eine vegetarische oder omnivore Ernährungsweise. Der Preis hängt maßgeblich vom Eiweiß- und Ballaststoffgehalt ab. Eiweißreiche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte oder vegane Ersatzprodukte sind oft teurer als kohlenhydratreiche Grundnahrungsmittel. Menschen mit geringem Einkommen stehen daher vor besonderen Herausforderungen.
Um gesunde Ernährung für alle zugänglich zu machen, wäre eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und pflanzliche Proteinträger sinnvoll.
Gute Planung ist das A und O
Eine vegane Ernährung kann gesund sein – wenn sie gut geplant ist. Wer vegan lebt, sollte bewusst auf eine ausgewogene Nährstoffversorgung achten und bei Bedarf Nahrungsergänzungsmittel einnehmen.
Und auch wenn die gesundheitlichen Vorteile noch nicht abschließend bewiesen sind, gibt es viele gute Gründe, den Fleischkonsum zu reduzieren – sei es für die Umwelt, den Klimaschutz oder das Tierwohl.