Frage des Monats 01.02.2025

Ist Milch wirklich schlecht für das Klima?

iStock/Andrei Kravtsov

Auf der „Grüne Woche“ in Berlin: Ernährungsminister Cem Özdemir steht auf der großen Bühne, um feierlich die Landwirtschaftsmesse zu eröffnen und sagt wörtlich: „Die Kuh ist kein Klimakiller.“ Eine Aussage, die eins zu eins aus dem Sprachgebrauch der Agrar- und Milchlobby stammt. Doch stimmt das? Wie klimaschädlich ist Milch?

Annemarie Botzki von foodwatch antwortet:

Annemarie Botzki - Porträt

Die Milchindustrie argumentiert oft, dass die gesamte Tierhaltung in Deutschland für gerade einmal fünf Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sei. Das klingt erstmal wenig – doch diese Zahl ist irreführend. Denn diese Rechnung berücksichtigt nur die direkten Emissionen der Tierhaltung in Deutschland. Also z.B. wieviel Methan die Kühe „ausrülpsen“. Wesentliche Faktoren hingegen, wie die Emissionen aus dem Anbau und dem Import von Futtermitteln, fließen nicht mit ein. Dabei werden in Deutschland 60 Prozent der Agrarflächen für den Futtermittelanbau verwendet. 

Klimafußabdruck der Tierhaltung dreimal höher als behauptet

Das beschönigende „5-Prozent-Argument“ berücksichtigt auch nicht, dass Tierhaltung in Deutschland oft auf entwässerten Moorböden stattfindet – und das ist besonders klimaschädlich, denn Moore können eigentlich große Mengen CO2 speichern. Zudem wird der CO2-Ausstoß durch die Herstellung von Mineraldüngern und Pestiziden sowie der Dieselverbrauch landwirtschaftlicher Maschinen in der Berechnung ausgeblendet.

Berücksichtigt man all diese „indirekten“ Emissionen, die eindeutig durch die Tierhaltung verursacht werden, liegt der tatsächliche Klimafußabdruck der Branche mehr als dreimal so hoch wie von der Agrarlobby behauptet!

Futtermittel und Regenwaldzerstörung

Für die Milchproduktion braucht es riesige Mengen an Futtermitteln – vor allem Soja. Deutschland importiert jedes Jahr Millionen Tonnen, hauptsächlich aus den USA und zum Beispiel auch aus Brasilien. Dort werden für die Landwirtschaft wertvolle Regenwälder abgeholzt, was nicht nur CO2 freisetzt, sondern auch wichtige Ökosysteme zerstört.

Hafermilch vs. Kuhmilch

Pflanzliche Alternativen schneiden bei der Klimabilanz deutlich besser ab als Milch. Milch und Milchprodukte verursachen rund dreimal so hohe Klima-Emissionen wie pflanzliche Alternativen.

Eine Reduktion der Tierhaltung hätte enormes Einsparpotenzial: Würden Milch und Milchprodukte in Deutschland durch pflanzliche Alternativen ersetzt und die freiwerdenden Agrarflächen renaturiert, ließen sich die Emissionen um bis zu zehn Prozent der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen senken. Das hat foodwatch in einem ausführlichen Report zur Milchindustrie berechnet. 

Methan: Ein unterschätzter Klimakiller

Milchkühe produzieren riesige Mengen des Treibhausgases Methan. Die Milchlobby verharmlost das Problem gerne, indem sie darauf verweist, dass Methan bereits nach zwölf Jahren zerfällt. Das stimmt zwar – aber solange es existiert, hat Methan eine viel stärkere Heizwirkung als Kohlendioxid. Tatsächlich also ist das Gas extrem klimaschädlich. Für kurzfristig wirksamen Klimaschutz ist es entscheidend, die Methan-Emissionen zu reduzieren. 

Von wegen grüne Weide

Was die Milchlobby außerdem immer gerne erzählt: Die Milchwirtschaft nutzt der Umwelt und dem Klima, weil sie Wiesen und Weiden bewirtschaftet, die sonst gar nicht genutzt werden könnten. Doch in Wahrheit werden die meisten Grünlandflächen heute intensiv genutzt, stark gedüngt und mehrfach im Jahr gemäht. Und überhaupt: Gerade einmal ein Drittel aller Kühe in Deutschland steht wirklich auf der Weide. Die meisten Tiere stehen im Stall und bekommen Kraftfutter.

Fazit

Die Milchindustrie versucht, ihre Umweltbilanz schönzurechnen – doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Natürlich ist es ok, auch Milch, Käse oder Joghurt zu essen, aber einer Wahrheit müssen wir uns stellen: Wir müssen in Deutschland deutlich weniger Nutztiere halten, um echten Klimaschutz in der Landwirtschaft zu erreichen.