EU-Kommission plant Maulkorb für Kontrollbehörden
Unter dem Deckmantel einer Verbesserung der Lebensmittelsicherheit bereitet die Europäische Kommission einen „Maulkorb“ für Kontrollbehörden vor: Relevante Informationen könnten demnach nicht mehr an die Verbraucher weitergereicht werden, da eine umfassende „Geheimhaltungspflicht“ eingeführt werden soll. Das Europaparlament debattiert am Montag (14. April) über den Entwurf zur Novellierung der EU-Kontrollverordnung.
Nach dem Pferdefleischskandal des vergangenen Jahres hatten die EU angekündigt, künftig für mehr Transparenz in der Lebensmittelkette zu sorgen, die Lebensmittelüberwachung zu verbessern und ein „Frühwarnsystem“ einzurichten, um Lebensmittelbetrügern das Handwerk zu legen. Der aktuelle Entwurf der Kontrollverordnung wird genau das Gegenteil bewirken und trägt die Handschrift der Lebensmittelindustrie.
Lebensmittelskandale würden nicht mehr bekannt
Ein solches Gesetz würde mit Sicherheit dazu führen, dass es künftig weniger Lebensmittelskandale gibt – weil die Öffentlichkeit von den Skandalen gar nicht erst erfahren würde.
Konkret heißt es im Gesetzentwurf der Europäischen Kommission, dass Behörden die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen nicht publik machen dürfen, wenn dies „den Schutz der geschäftlichen Interessen“ von Unternehmen „beeinträchtigen“ würde. Zwar soll eine Abwägung stattfinden, ob das öffentliche Interesse den kommerziellen Interessen überwiegt – im Zweifel könnten sich die Beamten aus Sorge vor Klagen jedoch immer für die Geheimhaltung entscheiden. Eine ähnliche Formulierung hat im deutschen Verbraucherinformationsgesetz jahrelang dazu geführt, dass Behörden selbst Gesetzesverstöße meist nicht veröffentlicht haben.
Hohe Hürden für informationswillige Behörden
Sollte die Verordnung in ihrer jetzigen Form in Kraft treten, würde sie der Wirtschaft zahllose Möglichkeiten bieten, gegen die Veröffentlichung von Informationen über Hygieneverstöße gerichtlich vorzugehen. Die Hürden, die die neue Verordnung für die Information der Verbraucher über die Kontrollergebnisse setzt, wären für die Behörden außerdem so hoch, dass diese wahrscheinlich nur selten überhaupt etwas veröffentlichen würden.
Wenn die Behörden Verbraucher über Gesetzesverstöße oder Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung informieren, sollen sie „Bemerkungen“ des betroffenen Unternehmens „berücksichtigen“ oder zeitgleich mitveröffentlichen. Die öffentliche Information wird dann so umfangreich und widersprüchlich, dass Verbraucher sie nicht mehr verstehen oder einordnen können.
Möglichst wenig „Zusatzbelastungen“ für die Unternehmen
Außerdem sollen laut Verordnungsentwurf amtliche Kontrollen so durchgeführt werden, dass „die Zusatzbelastung durch die Kontrollen für die Unternehmer so weit wie möglich reduziert werden.“ Zudem sollen die Mitgliedstaaten Gebühren für die amtlichen Kontrollen erheben dürfen, während es gleichzeitig ermöglicht werden soll, private Unternehmen mit der Überwachung zu beauftragen. Das wäre das Ende einer unabhängigen staatlichen Lebensmittelüberwachung.
Fazit: Der Kommissionsentwurf würde nicht zu mehr, sondern zu weniger Lebensmittelsicherheit führen, kritisiert foodwatch: Statt durch umfassende Transparenzvorschriften für Behörden den öffentlichen Druck auf die Lebensmittelwirtschaft zur Einhaltung der Gesetze zu erhöhen, soll Schweigen zur ersten Kontrolleurspflicht gemacht werden. Gammelfleischhändlern und Pferdefleischschiebern wird das Leben damit einfach gemacht.
Smiley-System für ganz Europa!
foodwatch forderte EU-Kommission, Europaparlament und den Europäischen Rat auf, bei den anstehenden Trilogverhandlungen umfassende Transparenzpflichten durchzusetzen. Alle Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen müssen grundsätzlich und unverzüglich publik gemacht werden – am besten mit dem seit mehr als zehn Jahren in Dänemark bewährten Smiley-System. Dieses Konzept muss zum Standard in Europa werden.
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