Nachricht 30.06.2023

Gefährliches Insektengift in Lebensmitteln

PiyawatNandeenoparit/AdobeStock

Weil die EU den Einsatz bestimmter Insektengifte eingeschränkt hat, werden andere Pestizide jetzt umso häufiger verspritzt. Das zeigen foodwatch-Recherchen.

Die Europäische Union hat 2018 bestimmte sogenannte Neonicotinoide verboten. Neonicotinoide sind Insektengifte, die in der Landwirtschaft massiv eingesetzt werden. Die Mittel wirken, indem sie das Nervensystem von Insekten angreifen. Das Problem: Sie können auch negative Auswirkungen auf Bienen und andere Bestäuber haben. Nach Protesten von Umweltschutzorganisationen wurden daher drei besonders oft verwendete Mittel verboten. Ein richtiger Schritt.

Insektengift-Rückstände in Obst und Gemüse

Doch foodwatch-Recherchen haben jetzt gezeigt: Seit dem Verbot verspritzen Landwirt:innen eben einfach andere Mittel aus dieser Pestizid-Gruppe. Zum Beispiel ist der Absatz von "Acetamiprid" stark angestiegen. Mit fatalen Folgen: Immer mehr Rückstände landen im Essen. Die Belastung von Obst und Gemüse mit Acetamiprid hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht! Besonders betroffen: Süßkirschen, Pomelos, Zucchini, Auberginen, Spinat und Paprika.
 

Seit Jahrzehnten werden gefährliche Chemikalien gegen ebenso problematische "Alternativen" ausgetauscht. Mit diesem Teufelskreis muss endlich Schluss sein! Wir brauchen einen Ausstieg aus der Chemie-Landwirtschaft
Lars Neumeister foodwatch

Rückstände haben sich verdreifacht

Eine foodwatch-Auswertung von Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zeigt: Während 2012 bei 2,1 Prozent aller auf Acetamiprid getesteten Lebensmittelproben Rückstände gefunden wurden, waren es 2021 7,4 Prozent. Der Acetamiprid-Metabolit, also das chemische Abbauprodukt, (Acetamiprid-Metabolit N-Desmethylacetamiprid) wurde 2021 fast doppelt so oft in Lebensmittelproben gefunden wie fünf Jahre zuvor: 2017 wurden bei 4,7 Prozent aller Proben Rückstände gefunden, 2021 bei 9,2 Prozent. Die tatsächliche Belastung ist wahrscheinlich sogar noch höher, da die Behörden nicht standardmäßig auf den Stoff testen. 

In Frankreich verboten, in Deutschland erlaubt

foodwatch hatte zudem bei der Durchsicht von Sitzungsprotokollen des zuständigen EU-Ausschusses (ScoPAFF) herausgefunden, dass ein EU-Mitgliedstaat im September 2022 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass es sehr hohe Rückstände des Metaboliten gibt und die gesetzlichen Höchstgehalte die Verbraucher:innen nicht schützen. Auch die Tatsache, dass der Acetamiprid-Metabolit in Gehirnen von Kindern nachgewiesen wurde, wurde thematisiert. Studien hatten Rückstände des Mittels in Gehirnen von Kindern und Erwachsenen nachgewiesen. 

Trotzdem ist das Mittel in vielen EU-Ländern immer noch erlaubt und es gibt keinen strengen Grenzwert. In Frankreich hingegen ist das Pestizid bereits verboten. Warum nicht auch in Deutschland? 

Wir brauchen eine Pestizid-freie Landwirtschaft!

Der Fall Acetamiprid zeigt einmal mehr: Das Pestizid-Zulassungsverfahren in der EU hat gefährliche Lücken und muss komplett auf den Prüfstand. foodwatch fordert die Zulassung von Acetamiprid zurückzuziehen bis alle Studien in die Überprüfung einbezogen und strenge gesetzliche Grenzwerte festgelegt sind! Langfristiges Ziel muss eine komplett Pestizid-freie Landwirtschaft sein.