Geplantes Hygiene-Barometer in Berlin: Anliegen gut, Umsetzung mangelhaft
Das Land Berlin will die Ergebnisse von amtlichen Hygiene-Kontrollen öffentlich machen - in den Lebensmittelbetrieben sowie im Internet. Ein Transparenz-System ist längst überfällig, in der geplanten Form jedoch kontraproduktiv.
Seit mehr als zehn Jahren diskutieren Bund und Länder über Transparenz bei der Lebensmittelüberwachung. Doch während etwa in Dänemark, Norwegen oder Wales landesweit die Ergebnisse von amtlichen Kontrollen bei Restaurants, Fleischbetrieben und anderen Lebensmittelunternehmen konsequent veröffentlicht werden und damit die Hygiene in den Betrieben steigt, landen die meisten Kontrollergebnisse in Deutschland in den Schubladen der Behörden.
Berlin geht voran
Weil es keine Aussicht auf eine bundesweite Lösung gibt, will das Land Berlin als erstes Bundesland ein „Transparenzbarometer“ einführen. Sowohl im Internet als auch direkt an der Ladentür des Betriebes soll das letzte Kontrollergebnis ausgehängt werden müssen - in Form eines Barometers. Das Transparenzbarometer ist ein farbiger Strahl, der von grün (gut) über gelb (mittel) bis rot (schlecht) reicht. Wie gut oder schlecht der jeweilige Betrieb ist, wird auf der Skala mithilfe eines Pfeils markiert. Das Gesetz über ein Transparenzbarometer hat der Berliner Senat vor Kurzem auf dem Weg gebracht. Jetzt können Interessenverbände Stellung beziehen.
Gesetzesentwurf mit vielen Schwächen
Der Schritt des Berliner Senats ist zu begrüßen und längst überfällig, jedoch ist er aus Sicht von foodwatch unausgegoren. Mit dem Transparenzbarometer wäre es für Betriebe geradezu grotesk einfach, selbst mit gravierenden Hygienemängeln eine positive, grüne Bewertung zu erhalten. Bekämen sie doch einmal eine gelbe oder rote Kennzeichnung, wäre es ein Leichtes, diese niemals an der Ladentür auszuhängen – und nach kürzester Zeit wäre sie ohnehin zugunsten einer neuen, positiven Kennzeichnung verschwunden.
Für den Berliner Gesetzentwurf gilt: Anliegen gut, Umsetzung mangelhaft. Der Entwurf weist so gravierende Schwächen auf, dass grundlegende Verbesserungen erforderlich sind, damit eine Verabschiedung nicht sogar kontraproduktiv für den Verbraucherschutz wäre.foodwatch-Geschäftsführer
Es ist nicht verwunderlich, dass der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) bereits seine Zustimmung zum Transparenzbarometer signalisiert hat. Offenbar um sich diese Zustimmung zu sichern, hat Berlins Verbrauchersenator Dirk Behrendt ein Modell entwickelt, dass nahezu alle Betriebe grün kennzeichnen würde, ohne sich dafür verbessern zu müssen. Damit würde das Transparenz- zum Intransparenzbarometer, das Hygienemängel kaschiert anstatt den Betrieben die dringend benötigten Anreize zur Verbesserung zu geben. Die Kontrolleure wären nach dem Gesetzentwurf sogar gezwungen, manchem Betrieb, den sie aufgrund katastrophaler Hygienezustände vorübergehend schließen müssen, gleichzeitig mit der Schließungsverfügung noch ein grünes Transparenzbarometer auszustellen!
Vorbild Dänemark
Anstatt das Rad neu erfinden zu wollen, wäre der Senator gut beraten, das in Dänemark seit mehr als 15 Jahren bewährte Smiley-System zu übernehmen, mit dem auch der Bezirk Pankow bereits Erfahrungen in der Praxis gesammelt hat und dies ab November wieder umsetzen möchte.
Entscheidend ist vor allem eine Änderung: Ältere, schlechte Kontrollergebnisse dürfen nicht nach kürzester Zeit verschwinden, wenn sich die Lebensmittelbetriebe eine neue Kontrolle kaufen und ein besseres Ergebnis erhalten, sondern es muss eine Historie von wenigstens drei älteren Kontrollergebnissen für die Verbraucher nachvollziehbar bleiben.
In Dänemark konnten die Beanstandungsquoten in den Betrieben seit Start des Transparenz-Systems halbiert werden, was die Kontrollbehörden deutlich entlastet hat. Auch in Wales oder Norwegen haben vergleichbare Transparenz-Systeme zu weniger Beanstandungen in den Betrieben geführt. In Deutschland muss dagegen seit langem Jahr für Jahr fast jeder vierte kontrollierte Lebensmittelbetrieb beanstandet werden.
foodwatch hat zum Gesetzesentwurf für ein Berliner „Transparenzbarometer“ ausführlich Stellung genommen. Die Stellungnahme, die foodwatch auch an den Berliner Senat geschickt hat, lesen Sie hier.