Stellen amtliche Kontrolleure schwere Hygiene-Mängel in Restaurants, Bäckereien oder anderen Lebensmittelbetrieben fest, müssen Behörden die Bürgerinnen und Bürger darüber in Kenntnis setzen. In Berlin gehen die zuständigen Bezirksämter ihren ganz eigenen Weg.
Kakerlaken in der Backstube, Schimmel in der Restaurant-Küche, abgelaufene Lebensmittel hinter der Imbiss-Bude – in Deutschland wird etwa jeder vierte Betrieb von den amtlichen Kontrolleuren beanstandet. Bei besonders schweren Hygiene-Mängeln oder Grenzwert-Verstößen müssen die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden gemäß § 40 Abs. 1a des Lebensmittel und Futtergesetzbuchs (LFGB) „unverzüglich“ die „Öffentlichkeit“ informieren und dabei den Namen des Betriebs nennen. Das Ziel: Bereits vor dem Gang in den Supermarkt oder zum Bäcker sollen Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine informierte Kaufentscheidung zu treffen.
Aushänge in den Behörden statt im Internet
Üblicherweise stellen die Behörden die Informationen über schwere Hygiene-Mängel ins Internet. In Berlin ist dies leider nicht der Fall. Das hat eine Abfrage von foodwatch bei den Berliner Bezirksämtern ergeben. Kein einziger der zwölf Bezirke veröffentlicht die Informationen im Internet. Ein Großteil der Bezirke gab gegenüber foodwatch an, die Meldungen stattdessen in den Dienstgebäuden oder den Rathäusern auszuhängen.
Wer geht schon vorm Brötchenkauf aufs Amt und sucht nach einem Schaukasten, um sich über mögliche Hygiene-Mängel zu informieren? Das ist lebensfern!Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch
foodwatch hatte eine Abfrage unter den Berliner Bezirken gemacht, auf welche Weise sie den Meldepflichten über schwere Hygienemängel nachkommen. In Steglitz-Zehlendorf, Lichtenberg oder Treptow-Köpenick finden sich die Informationen für die „Öffentlichkeit“ lediglich als Aushang im „Fachbereich“ der Lebensmittelüberwachung, in Neukölln im Erdgeschoss des Ordnungsamts, in Spandau im Rathaus, in Marzahn-Hellersdorf „im Eingangsbereich des Dienstgebäudes“. Mehrere Bezirke, darunter Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick, gaben als Begründung für den Aushang an, dass die „Art der Veröffentlichung“ rechtlich nicht vorgeschrieben sei. Reinickendorf und Mitte kündigten an, die Informationen künftig im Internet veröffentlichen zu wollen. In Reinickendorf arbeite man aber noch am „Format“ – und das, obwohl die Pflicht zur Veröffentlichung spätestens seit 30. April 2019 zweifelsfrei besteht.
foodwatch fordert: Die Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeister müssen ihre Läden in den Griff bekommen. Denn wir schreiben das Jahr 2020 – das Internet ist die mit Abstand wichtigste Informationsquelle – Aushänge im Dienstgebäude sind in diesen Zeiten keine geeignete „Information der Öffentlichkeit“, wie es das Gesetz vorsieht.
Intransparenz bei Lebensmittelkontrollen hat System
Die Geheimniskrämerei in der Lebensmittelüberwachung hat in Berlin offenbar System. Nicht nur bei der Umsetzung der Meldepflichten über Hygienemängel ist Berlin ein Entwicklungs-Bundesland, auch auf Nachfragen von Bürgerinnen und Bürgern mauern die meisten Bezirke. Das zeigt der Umgang der Bezirke mit Anfragen über die Verbraucher-Plattform „Topf Secret“ , welche foodwatch 2019 zusammen mit der Transparenzinitiative FragDenStaat ins Leben gerufen hatte. Der Großteil der Berliner Bezirke lehnt jedoch entweder ab oder weigert sich, über die Anfragen zu entscheiden. „Topf Secret“ fußt auf dem Verbraucherinformationsgesetz und sieht – für eine Nachfrage von Verbraucherinnen und Verbrauchern – umfassende Auskunftspflichten für Behörden vor. Das Verbraucherinformationsgesetz und die Regelungen zu Meldepflichten bei schweren Hygienemängeln im LFGB sollen sich gegenseitig ergänzen – und die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzen, informierte Kaufentscheidungen zu treffen. Dieser Anspruch ist in Berlin jedenfalls krachend gescheitert, so viel ist klar!