Grenzwertdebatte: Uran-Grenzwert schützt Säuglinge nicht ausreichend
Seit dem 1. November 2011 darf Trinkwasser nicht mehr als 10 Mikrogramm Uran pro Liter enthalten. Dieser Grenzwert sei sicher für „alle Bevölkerungsgruppen, Säuglinge eingeschlossen“, heißt es in der Trinkwasserverordnung. Doch EU-Analyse zeigt das Gegenteil.
Seit Jahren bereits macht foodwatch auf die Uranbelastung von Wasser aufmerksam, hat tausende Messdaten für Trink- und Mineralwasser öffentlich gemacht. Seither hat sich einiges getan – aber noch nicht ausreichend. Ein kurzer Überblick über geltende und fehlende Grenzwerte:
- Grenzwert für Trinkwasser: Seit dem 1. November 2011 darf in Deutschland kein Trinkwasser mehr aus den Leitungen fließen, das mehr als 10 Mikrogramm Uran pro Liter enthält. Das hat der Bundesrat am 26. November 2010 mit einer Änderung der Trinkwasserverordnung beschlossen.
- Politische Bestrebungen, einen Uran-Grenzwert für Mineralwasser festzulegen, gibt es bislang nicht. Dabei hatte der damalige Bundesverbraucherminister Horst Seehofer bereits 2008 angekündigt, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen. Es gebe bereits eine entsprechende Initiative Deutschlands, sagte Seehofer damals der Berliner Zeitung. Die Verbraucherschutzminister der 16 Bundesländer hatten die Bundesregierung zudem im September 2008 mit einem offiziellen Beschluss aufgefordert, sich für einen Urangrenzwert auch für Mineralwasser einzusetzen. Passiert ist bisher jedoch nichts.
- Seit November 2006 dürfen jedoch in Deutschland Mineralwässer mit dem Werbehinwies „geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung“ einen Wert von zwei Mikrogramm Uran pro Liter nicht überschreiten.
Warum 10 Mikrogramm als Grenzwert zu hoch sind
foodwatch spricht sich dafür aus, eine einheitliche gesetzliche Höchstgrenze von 2 Mikrogramm Uran pro Liter sowohl für Trink- als auch für Mineralwasser zu verabschieden. Dass Mineralwasser beliebig hoch belastet sein darf, ist aus gesundheitspolitischer Sicht inakzeptabel. Doch auch der Grenzwert für Trinkwasser ist zu hoch angesetzt, denn bei Uranbelastungen deutlich unter 10 Mikrogramm pro Liter können die Nieren von Säuglingen und Kleinkindern geschädigt werden.
Das geht aus einer wissenschaftlichen Analyse der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hervor. Die EU-Analyse stützt die These, dass bei einer Belastung von 2 Mikrogramm auch Säuglinge und Kleinkinder wirksam geschützt sind – nicht jedoch bei 10. Sie steht im Widerspruch zur deutschen Trinkwasserverordnung, in der es heißt, das 10-Mikrogramm-Limit biete „allen Bevölkerungsgruppen, Säuglinge eingeschlossen, lebenslang gesundheitliche Sicherheit vor möglichen Schädigungen“.
EU-Gutachten eigens aus Deutschland angefordert
Das EFSA-Gutachten war eigens aus Deutschland beauftragt worden: In der Gemeinsamen Stellungnahme 020/2007 des Bundesinstituts für Strahlenkunde (BfS) und des Bundesinstituts für Riskiobewertung (BfR) vom 5. April 2007 empfiehlt das BfR „die Ableitung eines europäischen Höchstwertes für Uran in Trink- und Mineralwasser“ und „die gesundheitliche Bewertung von Uran und die Ableitung eines solchen Wertes durch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)“. Das Ergebnis dieses Prüfauftrags durch Deutschland hat die EFSA Ende März 2009 vorgelegt („Uranium in foodstuffs, in particular in mineral water“).
EFSA: Selbst vier Mikrogramm können zu viel sein
Zwar hat sich die europäische Behörde um die Benennung einer konkreten Grenzwertempfehlung herumgedrückt. Aus ihrem Papier geht jedoch eindeutig hervor, dass ein Höchstwert von 10 Mikrogramm Uran pro Liter nicht ausreichend ist. Selbst bei vier Mikrogramm werde die von der Weltgesundheitsorganisation WHO ausgewiesene tolerierbare Tageshöchstmenge bei Babys noch überschritten, sagte EFSA-Wissenschaftlerin Claudia Heppner dem ARD-Magazin Report München im Mai 2009. Auf dieses Ergebnis kommt auch, wer die Berechnung durchführt, für die die EFSA in ihrem Papier nur die Faktoren benennt. foodwatch hatte daraufhin seine Grenzwert-Forderung von ursprünglich 10 auf 2 Mikrogramm Uran pro Liter Wasser korrigiert.
Behörden ignorieren EFSA-Studie
Doch obwohl diese EFSA-Analyse von Deutschland in Auftrag gegeben wurde, ziehen die deutschen Behörden bislang keine Konsequenzen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stuft in einer widersprüchlichen Argumentation bis heute 10 Mikrogramm Uran pro Liter Trink- und Mineralwasser als unbedenklich ein. Aber besonders Säuglinge und Kleinkinder nehmen im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht mehr Wasser auf als Erwachsene, zudem resorbieren sie Uran stärker. An ihnen muss sich deshalb eine Regelung im Sinne der Gesundheitsvorsorge orientieren.