Für Lebensmittelbetriebe sollen nach Plänen des Bundesernährungsministeriums in Zukunft deutlich weniger amtliche Kontrollen vorgeschrieben sein als bisher. Das geht aus einem Referentenentwurf hervor, den foodwatch heute veröffentlicht hat.
Durch die geplante Änderung gäbe es zum Beispiel bei einem Unternehmen wie dem Wursthersteller Wilke weniger vorgeschriebene Pflichtkontrollen: Wie das Ministerium vorschlägt, sollen hier nur noch vierteljährlich verbindliche Kontrollen stattfinden – anstatt bisher eigentlich monatlich. Durch mit Listerien belastete Wurstwaren des Herstellers Wilke waren mehrere Menschen gestorben und viele erkrankt. foodwatch kritisiert den Verordnungsentwurf als eine massive Schwächung der Lebensmittelsicherheit in Deutschland und fordert den Bundesrat auf, seine Zustimmung zu verweigern.
4 statt 12 Besuche bei Wilke
Einen ersten Entwurf für die neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV Rahmen-Überwachung – AVV RÜb) hatte foodwatch bereits im Mai dieses Jahres geleakt und die geplante Reduzierung der Pflichtkontrollen scharf kritisiert. Jetzt gibt es eine überarbeitete Version – doch auch dieser Referentenentwurf schlägt weiterhin weniger verbindliche Kontrollen bei Risikobetrieben vor. Auch in Betrieben mit höchstem Risiko sollen demnach statt bisher täglich nur noch wöchentlich verbindliche Kontrollen stattfinden. Für Unternehmen wie den Wursthersteller Wilke, der bundesweit wegen eines Listerien-Falls in die Schlagzeilen geriet, sollen in Zukunft nur noch vier statt 12 Besuche jährlich durch die amtlichen Kontrolleurinnen und Kontrolleure vorgeschrieben sein.
Die Pläne sind komplett irre. Mehr Lebensmittelsicherheit erreicht man nicht durch weniger Kontrollen.foodwatch-Geschäftsführer
Zwar vermerkt der Entwurf in einer Empfehlung an die Bundesländer, dass die Kontrollfrequenzen bei Risikobetrieben „in der Regel“ verdoppelt werden „sollen“. Aber selbst wenn dieser vage „Soll“-Vorschlag umgesetzt würde, würden in vielen solcher Betriebe weniger Pflichtkontrollen – bei Wilke nämlich acht statt der bisher 12 - stattfinden. Zudem will es das Ministerium den Bundesländern gänzlich überlassen, davon abweichende Kontrollfrequenzen festzulegen, womit die Verwaltungsvorschrift gänzlich unverbindlich würde und die Kontrollhäufigkeit nach Einschätzung von foodwatch noch stärker als bisher von der Kassenlage in den jeweiligen Bundesländern abhinge.
Folge wären auch Einsparungen beim Personal
Durch die Verringerung der vorgegebenen Routinekontrollen dürfte in den für die Kontrollen zuständigen Bundesländern und Kommunen wahrscheinlich noch stärker am Personal gespart werden, so die Erwartung von foodwatch, die Medienberichten zufolge von den Verbänden der Lebensmittelkontrolleure und der Amtstierärzte geteilt wird. Denn an den Vorgaben für vorgeschriebene Pflichtkontrollen orientiert sich auch die Stellenplanung in den Kontrollbehörden.
In der amtlichen Begründung für den Referentenentwurf, die foodwatch im Mai ebenfalls veröffentlicht hatte, verspricht das Ministerium von Frau Klöckner dennoch, mit der geplanten Änderung der Kontrollhäufigkeit würden „die Ressourcen der amtlichen Lebensmittelüberwachung noch wirksamer auf ‚Problembetriebe‘ fokussiert“. Denn: „Betriebe, die in der kontrollintensivsten Risikoklasse […] eingestuft sind, sollen noch intensiver und engmaschiger anlassbezogen kontrolliert werden als bisher.“ Tatsächlich erreicht der Gesetzestext aber genau das Gegenteil.
Änderungen bei verbindlichen Routinekontrollen
Wie oft die Behörden einen Lebensmittelbetrieb besuchen und wie viele Lebensmittelkontrolleure die Ämter einstellen, orientiert sich an der Risikoeinstufung des Unternehmens. Je nach Betriebsart und nach vorherigen Kontrollergebnissen werden die Unternehmen eingestuft. So wird eine Metzgerei häufiger kontrolliert als ein Kiosk, der nur verpackte Produkte verkauft, ein immer wieder wegen Hygienemängeln auffälliger Betrieb häufiger als ein Vorzeigeunternehmen. Der Referentenentwurf aus dem Klöckner-Ministerium bringt nun Veränderungen bei der Zuweisung von Kontrollfrequenzen für die verbindlichen Routinekontrollen zu den Risikoklassen vor. Die geplanten Änderungen betreffen die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung“ (AVV RÜb). Noch Ende dieses Jahres tritt eine neue EU-Kontrollverordnung (2017/625) in Kraft, die den europäischen Rahmen für die Lebensmittelüberwachung steckt. Im Zuge dessen will das Bundesernährungsministerium die Vorschriften in Deutschland erneuern.