Frage des Monats 01.07.2024

Sind Fertiglebensmittel mit Vitaminzusatz gesund?

Das kennt wohl jeder: Der Magen knurrt, aber Zeit zum Kochen ist gerade nicht. Wie praktisch wäre es da, einfach zur schnellen Trinkmahlzeit oder dem Schokoriegel zu greifen – und sich damit dank zugesetzter Vitamine und Mineralien trotzdem ausgewogen zu ernähren. Hersteller von sogenannten "Functional Foods" versprechen genau das. Was ist dran?  

Sarah Häuser von foodwatch antwortet:

foodwatch/Sabrina Weniger

Nicht nur praktisch und sättigend, nein: “Smart”, Teil eines “Healthy Lifestyle” und ausgewogen sollen sie sein, die Riegel, Trinkmahlzeiten, Backmischungen und Co. von Marken wie Yfood oder Offset Nutrition. Der Trick: Den Fertiglebensmitteln sind Vitamine, Mineralien, Proteine und andere wohlklingende Zutaten zugesetzt. Die Hersteller  bewerben ihre Produkte als gesunde Option, eine Hauptmahlzeit zu ersetzen.  

Doch werden hochverarbeitete Lebensmittel gesund, wenn man Vitamine zusetzt? Wir haben uns die Produkte einmal genauer angeschaut. 

Offset Nutrition: Gesunder Schokoriegel mit fünf Würfeln Zucker?

Beispiel Offset Nutrition: Hersteller Famous Brands bewirbt den „Pretty Little Meal”-Schokoriegel als “ausgewogene Mahlzeit, die wichtige Nährstoffe enthält, die dein Körper benötigt”.  

Fakt ist: Der „Pretty-LittleMeal“-Riegel kann je nach Sorte fast fünf Stück Würfelzucker enthalten. Die Sorte „Naked Apple White + Crisp” würde dafür den Nutri-Score E erhalten, also die schlechteste Bewertung für Produkte mit einer ungünstigen Nährwertzusammensetzung. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit rät: Je weniger Zucker wir aufnehmen, desto besser. 

Hochverarbeitet mit ungünstigen Inhaltsstoffen

Die Ernährungswissenschaftlerin und zertifizierte Ernährungsberaterin Alice Luttropp, die auch für foodwatch tätig ist, sagt zum Offset-Riegel: „Natürlich kann man auch einen solchen Riegel mal essen, man sollte sich dabei aber bewusst sein, dass man u.a. wegen des hohen Zuckergehalts eher eine Süßigkeit verzehrt als ein gesundes Frühstück oder Abendessen.“ 

Auch Prof. Dr. Diana Rubin, Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin und Diabetologie des Vivantes Humboldt Klinikums, fällt ein kritisches Urteil: „Der Riegel ist sicher keine neue Art der ausgleichenden Ernährungsweise, sondern ein hochverarbeitetes Lebensmittel mit überwiegend ungünstigen Inhaltsstoffen und dem Zusatz von künstlichen Vitaminen und Mineralstoffen, um das Nahrungsmittel werbetechnisch bestmöglich vermarkten zu können.”

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foodwatch hat Offset Nutrition wegen irreführender Werbung auf Instagram abgemahnt, etwa für den Claim „Schoki, die schlank macht”. Nach Auffassung von foodwatch verstößt er damitgegen die Europäische Health Claims Verordnung, die Verbraucher:innen vor falschen Gesundheitsversprechen schützen soll.

Yfood: Milchmix mit zugesetzten Vitaminen und Süßstoff

Auch das Münchener Start-Up Yfood preist seine Trinkmahlzeit „This is food” auf seiner Webseite in den höchsten Tönen an: Der Drink erlaube es Menschen, „sich immer und überall ausgewogen zu ernähren”. Yfood sei „convenient, gesund, lecker und nachhaltig“ mit einem „vollwertigen Nährstoffprofil“. Yfood bietet neben Trinkmahlzeiten auch Pulver zum Selbstmischen, Riegel sowie Mahlzeiten zum Aufgießen an. Als Hauptzutat enthalten die Drinks Kuhmilch bzw. Wasser und Sojaprotein sowie „mindestens 25 Vitamine und Mineralstoffe.”

„This is food” enthält neben dem in Milch natürlicherweise enthaltenen Zucker auch Sucralose. Sucralose ist ein stark süßendes künstliches Süßungsmittel. foodwatch bewertet Süßstoffe in Lebensmitteln grundsätzlich kritisch, da sie zur Süßgewöhnung beitragen. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät davon ab, zur Gewichtskontrolle auf zuckerfreie Süßstoffe zu setzen. 

Kalorienreiche Trinkmahlzeit

Darüber hinaus enthält der Drink relativ viele Kalorien. Die wenigsten Menschen haben aber das Problem, zu wenige Kalorien zu sich zu nehmen. Gerade, wenn Yfood als schnelle Mahlzeit am Schreibtisch verzehrt wird. Ernährungsberaterin Alice Luttropp sieht das kritisch: „Eine 500ml-Flasche enthält immerhin 500 Kilokalorien. Sie ist schnell getrunken. Ein Sättigungsgefühl stellt sich aber erst nach etwa 20 Minuten ein. In der kurzen Zeit, die es dauert, den Drink zu trinken, nehme ich also möglicherweise mehr Kalorien zu mir, als ich eigentlich hungrig bin. Zudem ist der Kauprozess wichtig, der bei einer Trinkmahlzeit naturgemäß wegfällt. Beim Kauen wird mit Speichelenzymen vorverdaut und das Gehirn realisiert, dass eine Nahrungsaufnahme stattfindet. Wenn ich die Trinkmahlzeit rasch trinke, kommen im Magen sehr viele Kalorien auf einmal an und dies auch noch in flüssiger Form, so dass der Verdauungstrakt kaum etwas zu tun hat, um die einzelnen Nährstoffe aufzuspalten.“  

Ihr Fazit: „Aus meiner Sicht ist es absurd, Yfood als vollwertiges Essen zu verkaufen. Es ist ein hochverarbeitetes industriell hergestelltes Produkt.“  

Nutri-Score: Rotes E

Yfood schmückt sich aktuell noch mit dem Nutri-Score A. Das wird sich jedoch ändern. Nach den neuen, verbesserten Berechnungsgrundlagen der Lebensmittelampel wird Yfood ein rotes E erhalten – also die schlechteste Bewertung für Produkte mit einer besonders ungünstigen Nährwertzusammensetzung. 

Und was ist mit den ganzen zugesetzten Vitaminen in den Fertigprodukten, sind die nicht wenigstens gesund? Alice Luttropp bewertet dies so: „Isolierte Vitamine können nicht die Karotte oder den Grünkohl ersetzen. Für den Körper ist es immer besser, Vitamine aus natürlichen Lebensmitteln aufzunehmen. Denn sie sind dort im Zusammenspiel mit sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und Pflanzenfasern enthalten. Die komplette Bandbreite und den gesundheitlichen Nutzen des Lebensmittels nimmt nur auf, wer Früchte, Gemüse und Getreide in ihrer natürlichen Form verzehrt.“  

Fazit: Natürlich spricht nichts dagegen, ab und an zu Fertiglebensmitteln zu greifen, wenn sie einem schmecken. Aber um sich gesund zu ernähren, sollte man vor allem auf frisches Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte sowie Nüsse und pflanzliche Ölen setzen. 

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