Nachricht 14.04.2014

Vor Deutsche-Bank-Konferenz: Schluss mit Irreführung!

Vor der Konferenz der Deutschen Bank über die Zusammenhänge von Finanzprodukten und Hunger hat foodwatch die Forderung nach einem Ausstieg aus der Agrar- und Ölspekulation bekräftigt. An die ganztägige Veranstaltung an diesem Mittwoch in Frankfurt am Main knüpfte foodwatch die Erwartung, dass Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen endlich auf alle Argumente der Kritiker eingehe, Belege für die eigene Position vorlege sowie widersprüchliche und irreführende Aussagen zu dem Thema korrigiere.

Für den kommenden Mittwoch (16. April) hat Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen Kritiker und Befürworter der Agrarspekulation zu einer Konferenz nach Frankfurt am Main eingeladen. Das Gespräch findet nicht-öffentlich statt; die Deutsche Bank hat dafür auf die „Chatham House“-Regel bestanden. Der zufolge dürfen die Teilnehmer keine Informationen darüber nach außen tragen, wer auf der Konferenz welche Aussagen getroffen hat.


foodwatch erwartet von der Deutschen Bank, dass das Treffen in Frankfurt nicht nur eine bloße PR-Veranstaltung wird. Konkret erwartet foodwatch von der Konferenz:

  1. Als letzte Bank in Deutschland hält die Deutsche Bank an der Agrarspekulation fest. Sie verweist auf eine interne Arbeitsgruppe, die entgegen anderslautenden Studien zu dem Schluss gekommen sei: Finanzprodukte hätten keinen Einfluss auf Nahrungsmittelpreise.

    Wir erwarten: Die Deutsche Bank muss die Analyse der Arbeitsgruppe samt der herangezogenen Quellen öffentlich machen, damit diese endlich überprüft werden kann – es muss Schluss sein mit bloßen Behauptungen ohne Belege!

  2. Bereits im Januar 2012 hatte die Deutsche Bank angekündigt, „in den kommenden Monaten eine umfassende Studie zum Thema Handel mit Agrarrohstoffen und Hunger zu erarbeiten“ und diese öffentlich zu diskutieren. Diese Studie liegt bis heute nicht vor.

    Wir erwarten: Die Deutsche Bank muss ihre Studie, falls vorhanden, endlich veröffentlichen – oder erklären, dass es eine solche Studie nie gab.

  3. Hunger und steigende Lebensmittelpreise haben viele Ursachen – fundamentale Entwicklungen wie Erntesituation, Biosprit-Anbau sowie eine steigende Nachfrage durch die wachsende Weltbevölkerung und steigenden Wohlstand in Schwellenländern spielen dabei langfristig die zentrale Rolle. Das ist von den Kritikern der Agrarspekulation unbestritten. Die Deutsche Bank erweckt jedoch den Eindruck, als würden Kritiker irren, weil sie diese Faktoren verkennen. Dies ist falsch. Indem sie über Fundamentalfaktoren spricht, lenkt sie von der eigenen Verantwortung für die Folgen ihrer Finanzprodukte ab. Auch erweckt die Deutsche Bank den Eindruck, als würden Kritiker ein Ende jedweder Spekulation fordern und damit die Preissicherungsfunktion der Terminmärkte gefährden – auch das ist falsch.

    Die Deutsche Bank verteidigt ihre Geschäfte mit dem Argument: „Es gibt keine eindeutige Evidenz, dass Investitionen in Warenterminmärkten die Preise langfristig nach oben treiben.“ Das jedoch behaupten Kritiker der Agrarspekulation überhaupt nicht – sie warnen vor kurzfristigen Preisspitzen. Die Deutsche Bank will bewusst nicht zur Kenntnis nehmen, dass aktuell Hunger eine Folge mangelnder Kaufkraft in armen Ländern ist – und dass deshalb schon kurzfristige Preisschocks besonders Kinder chronisch schädigen, ja sogar in den Hungertod treiben können.

    Wir erwarten: Schluss mit Unterstellungen, mit der falschen oder unvollständigen Wiedergabe von Argumenten und mit Ablenkungsdebatten! Die Deutsche Bank muss sich damit befassen, wofür sie selbst Verantwortung trägt: für ihre eigenen Geschäfte und deren Folgen.

  4. Die Deutsche Bank stellt die Thematik falsch, irreführend oder widersprüchlich dar:

    Auf ihrer Internetseite heißt es: „Treiben Indexfonds und Agrarspekulation die Lebensmittelpreise? Die große Mehrheit der Wissenschaftler sagt: Nein.“ – Das ist schlichtweg falsch. Es gibt keinen Konsens in der Wissenschaft, sondern mindestens ebenso viele seriöse Studien, die für einen Zusammenhang zwischen Finanzspekulation und Nahrungsmittelpreisen sprechen.

    Die Deutsche Bank behauptet: „Die Nahrungsmittelpreise steigen aus realwirtschaftlichen Gründen“ – dabei haben die Wissenschaftler der eigenen Research-Abteilung in einer Analyse unmissverständlich über die Rolle spekulativer Einflüsse ergänzt: „In manchen Zeiten können übertriebene Marktpositionen allerdings das normale Funktionieren des Markts vorübergehend verzerren – und dies kann möglicherweise ernsthafte Konsequenzen für Bauern und Verbraucher haben“.

    Die Deutsche Bank führt aus: „Eine Untersuchung der Weltbank kommt 2013 zu dem Schluss, dass Preissteigerungen bei Lebensmitteln weitestgehend auf die Entwicklung der Rohölpreise zurückzuführen sind.“ Dabei verschweigt die Bank, dass ihre eigene Forschungsabteilung auch bei Rohöl davon ausgeht, dass Spekulation den Preis nach oben treibt – damit tragen nach den hausinternen Erkenntnissen sowohl Finanzprodukte auf Basis von Agrarrohstoffen wie auch auf Basis von Öl zu steigenden Lebensmittelpreisen bei. Beide Produkte bietet die Deutsche Bank an.

    Die Konzernspitze behauptet, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Finanzspekulation an den Terminbörsen und realen Nahrungsmittelpreisen: „Kaufen und Verkaufen an den Rohstoffbörsen würde nur dann zu steigenden Preisen führen, wenn jemand auch die Rohstoffe tatsächlich nachfragen würde – also einen Kauf tätigt.“ Auf derselben Internetseite weist die Deutsche Bank im Zusammenhang mit Agrarspekulation jedoch darauf hin, dass teurer Weizen „an der Rohstoffbörse in Chicago“ unmittelbaren Einfluss auf die realen Preise auf den physischen Märkten hat und „sicher­lich nicht zum Nach­teil eines Bauern in Sambia [ist]. Im Gegenteil: Da lohnt es sich für ihn, über den Eigenbedarf hinaus Weizen anzubauen, weil es sehr teuer wäre, das Getrei­de zu den hohen Welt­markt­preisen zu impor­tieren.“ Was denn jetzt – steigen die realen Preise aufgrund steigender Preise an den Terminbörsen also doch?

    Wir erwarten:
    Die Deutsche Bank muss diese widersprüchlichen oder falschen Aussagen korrigieren und endlich seriös argumentieren.

  5. Auf wesentliche Argumente der Kritiker geht die Deutsche Bank nicht ein. Sie versucht mit großem Einsatz, sich als „nachhaltiges“ Unternehmen zu präsentieren – zur Nachhaltigkeit gehört jedoch auch das Vorsorgeprinzip: Schon bei begründeten Hinweisen und nicht erst beim abschließenden Beweis, wenn sich alle Wissenschaftler einig sind, muss gehandelt werden, wenn es gilt, Schaden für Leib und Leben von Menschen abzuwenden. Mit dem Vorsorgeprinzip hat sich die Deutsche Bank nie ernsthaft auseinander gesetzt.

    Wir erwarten:
    Die Deutsche Bank muss Stellung beziehen, wie das Prinzip der Nachhaltigkeit damit in Einklang zu bringen sein soll, dass das Unternehmen das Vorsorgeprinzip – das auch in der europäischen Verfassung verankert ist – ignoriert.