Wie Herr Schäuble vor den Hungermachern einknickte
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sein Versprechen einer strengen Regulierung der Agrarspekulation gebrochen. Was er einst als „Wahnsinn“ bezeichnete und stoppen wollte, lässt er nun weiter zu, indem er einer laxen EU-Finanzmarktrichtlinie zustimmt. Ganz im Sinne der Deutschen Bank...
Wann immer Wolfgang Schäuble sich in den vergangenen Jahren zum Thema Nahrungsmittelspekulation äußerte, war seine Botschaft klar. Zwar hielt er es nicht für ausgemacht, wie groß der Einfluss spekulativer Finanzprodukte auf Lebensmittelpreise ist – wohl aber für ausgeschlossen, dass es gar keinen Einfluss gibt. Der CDU-Politiker sprach sich öffentlich für „eine strikte Regulierung“ aus, weil nur diese „destabilisierende Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise“ verhindern könnte.
Beim „Wahnsinn“ mitgemacht
„Kein Finanzmarkt, kein Finanzakteur, kein Produkt darf mehr unbeaufsichtigt bleiben“, versprach der Bundesfinanzminister. Und zur Ende der 1990er Jahre erfolgten Deregulierung, die Spekulationsexzesse erst möglich gemacht hatte, sagte er betont selbstkritisch: „Alle haben bei diesem Wahnsinn mitgemacht – ich auch.“
Große Worte, die jedoch nicht durch konkretes politisches Handeln gedeckt sind. Im Juni 2013 bereits stimmte Wolfgang Schäuble einem Entwurf des Finanzministerrats für die europäische MiFID-Richtlinie zur Regulierung der Finanzmärkte zu, der zahlreiche Schlupflöcher zur Fortsetzung der ungezügelten Agrarspekulation ließ. Im August 2013 kursierte dann jedoch ein Positionspapier des Bundesfinanzministeriums, das eine Kehrtwende darstellte: Dem Papier zufolge sprach sich die Bundesregierung vor allem dafür aus, dass Positionslimits zentral und einheitlich gesetzt werden.
Schäubles Rolle rückwärts
Was zuletzt folgte, ist eine klassische Rolle rückwärts. In der Nacht zu Mittwoch haben sich Unterhändler von EU-Mitgliedsstaaten, Europaparlament und Europäischer Kommission nach monatelangen Verhandlungenauf einen Kompromiss bei der MiFID-Richtlinie verständigt. Dieser wird Spekulationsexzesse auf den Terminbörsen für Agrarrohstoffe nicht verhindern und damit die Deutsche Bank und andere weiter machen lassen wie bisher.
Denn die Einigung sieht nur scheinbar eine strenge Begrenzung der Finanzspekulation mit Agrarrohstoffen vor. Zwar sollen Positionslimits – also eine Begrenzung der Anzahl spekulativer Kontrakte – eingeführt werden, allerdings nicht von einer zentralen europäischen Aufsichtsbehörde, sondern von jedem EU-Staat selbst. Dadurch ist ein Standortwettbewerb der Finanzplätze programmiert – und in einem solchen Wettbewerb kann ein Land nur dann gewinnen, wenn es möglichst laxe Limits setzt. Wollte eine Regierung mit strengen Positionslimits zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation beitragen, könnte sie dies nur zu Lasten der heimischen Finanzindustrie und auf Kosten von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen umsetzen. Das macht Positionslimits weitgehend wirklungslos.
Der „Wahnsinn“ darf weitergehen
Wer das akzeptiert, sorgt mit dafür, dass der „Wahnsinn“ weitergeht, kritisiert foodwatch. Mit einer Zustimmung zum MiFID-Kompromiss verabschiedet sich der Bundesfinanzminister von seinen öffentlich formulierten Zielen – und erfüllt eine wesentliche Forderung der Deutschen Bank. Denn diese hatte sich durch Lobbyarbeit und in den USA auch juristisch massiv gegen die Einführung von Positionslimits zur Wehr gesetzt.