Bundesrat verabschiedet Klöckner-Reform: Weniger Lebensmittelkontrollen in Risiko-Betrieben
Lebensmittelbetriebe müssen von den Behörden in Zukunft seltener routinemäßig kontrolliert werden. Einem entsprechenden Reformvorschlag von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat der Bundesrat heute zugestimmt.
Mehr als 150.000 Menschen hatten im Vorfeld der heutigen Abstimmung protestiert, Lebensmittelkontrolleure, Amtstierärzte und Verbraucherzentralen warnten - doch vergebens: Der Bundesrat hat heute die von Frau Klöckner vorgelegte Reform der Lebensmittelüberwachung verabschiedet. Demnach werden Behörden Lebensmittelbetriebe in Zukunft weniger kontrollieren, als das bisher vorgesehen war. Firmen aus der Kategorie des Skandal-Wurstherstellers Wilke beispielsweise müssen künftig nicht mehr 12 Mal pro Jahr kontrolliert werden, sondern nur noch 4 Mal. Für Unternehmen, bei denen die Ämter im Falle schlechter Hygiene das höchste Gesundheitsrisiko erwarten - die größten Fleischbetriebe etwa - könnten sogar 200 Pflicht-Kontrollen im Jahr wegfallen.
Mit dem Beschluss der Klöckner-Reform hat der Bundesrat eine kapitale Fehlentscheidung getroffen. Freuen darf sich die Fleischindustrie.foodwatch-Geschäftsführer
Aufgaben werden Personalmangel angepasst
Schon jetzt sind die meisten Lebensmittelämter unterbesetzt. Etwa jede dritte vorgeschrieben Kontrolle in Lebensmittelunternehmen fällt aus. Doch statt den Personalstand den Aufgaben anzupassen, werden nun die Aufgaben der Ämter dem Personalmangel angepasst. Die personelle Situation wird sich dadurch noch weiter verschärfen: Denn wie viele Kontrolleurinnen und Kontrolleure eingestellt werden, hängt vor allem auch davon ab, wie viele Pflichtkontrollen vorgeschrieben sind.
Julia Klöckner und ihr Ministerium täuschten Öffentlichkeit
„Deutlich mehr Lebensmittelkontrollen“ insgesamt und eine „stärkere Ausrichtung der Kontrollen auf neuralgische Punkte“ durch zusätzliche Kontrollen in „Problembetrieben“ – mit diesen Versprechen hatten Julia Klöckner und ihr Ministerium für die Reform geworben. Doch diese Aussagen sind durch den Entwurf schlicht nicht gedeckt. Das hat auch ein juristisches Gutachten bestätigt: „Die Neuregelung würde im Gegensatz zu den Bekundungen der Bundesregierung aller Voraussicht nach zu einer deutlichen Reduzierung der Gesamtzahl an Kontrollen führen", so Prof. Dr. Ekkehard Hofmann, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Trier, in seiner Analyse des Klöckner-Entwurfs.
Nötig sind unabhängige Behörden und Transparenz
Regelmäßige Kontrollen sind eine notwendige Voraussetzung für sichere Lebensmittel. Aber um die Lebensmittelüberwachung effektiv zu machen, braucht es mehr als das: Politisch unabhängige Behörden, ausreichend kompetentes Personal, Regeln für einen konsquenten Vollzug und Kontrollergebnisse, die veröffentlicht werden. Keine dieser nötigen Verbesserungen wird mit der jetzt beschlossenen Reform auch nur versucht zu erreichen.
Links
- Warum die geplante Reform eine gravierende Schwächung der Lebensmittelüberwachung in Deutschland bedeutet
- Gemeinsame Pressemitteilung von foodwatch, Lebensmittelkontrolleuren und Amtstierärzten zur Reform (28.8.2020)
- Von wegen „mehr“ Lebensmittelkontrollen: Gutachten widerlegt Klöckner-Versprechen (foodwatch Pressemitteilung vom 16.9.2020)
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Diese unfassbare Reform zeigt, dass die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher für Frau Klöckner und die Landesregierungen keine entscheidende Rolle zu spielen scheinen. Freuen darf sich die Fleischindustrie, die trotz aller Skandale seltener kontrolliert werden muss. Das zeigt, wir müssen noch lauter werden - bitte helfen Sie uns dabei, am besten als Fördermitglied!