Falsche Versprechen der Neuen Gentechnik
Die Agrarlobby behauptet, mit neuen schädlings- und krankheitsresistenten Pflanzensorten den Pestizid-Einsatz reduzieren zu können. Es droht jedoch das Gegenteil.
„Genome Editing hat das Potenzial, den Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden usw. zu reduzieren, die Erträge zu steigern, die Ernährung zu verbessern und klimaresistente Pflanzen zu entwickeln.” Diese Versprechen der Gentechnik-Befürworter sind alter Wein in neuen Schläuchen. Bereits die „klassische” Gentechnik, also der Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO), wurde mit der Hoffnung verknüpft, weniger Pestizide einzusetzen. Neu ist die Methode: Anstatt Gene (Transgene) von einer Spezies auf eine andere zu übertragen, wird beim Genome Editing die DNA von Arten verändert.
Geplante Lockerung der Gentechnik-Vorschriften
Die EU-Kommission will am 5. Juli neue Vorschriften zur Gentechnik vorstellen. Möglicherweise können Pflanzen der Neuen Gentechnik künftig ohne Kennzeichnung und ohne ausreichende Risikoprüfung auf den Markt kommen. Interessengruppen, Forscher:innen und einzelne EU-Abgeordnete haben das Potenzial der Pestizid-Reduktion als ein wesentliches Argument vorgebracht, um eine entsprechende Lockerung der Kennzeichnungsregeln zu erreichen. Nicht nur das: Die Liberalisierungspläne könnten dazu führen, dass im Gegenzug andere Gesetzesvorhaben der Brüsseler Behörde zum Pestizideinsatz eingestampft werden: die Pestizidrahmen-Verordnung (SUR) und das Nature Restoration Law (NRL) . Demnach sollen etwa der Verbrauch von Pestiziden bis 2030 halbiert und beschädigte Naturlandschaften wiederhergestellt werden. Konservative Politiker:innen hatten gegen diese Vorschläge ohnehin bereits eine Blockade angekündigt, weil sie angeblich eine Gefahr für die Ernährungssicherheit darstellten.
Mehr statt weniger Pestizide
Ein foodwatch-Report warnt vor leeren Versprechungen der Neuen Gentechnik. Es ist illusorisch anzunehmen, dass mehr Neue Gentechnik zu weniger Pestizideinsatz führt. Die Risiken sind indes immens: Eine Deregulierung des EU-Gentechnikrechts würde Agrarkonzernen wie Bayer und Corteva eine noch stärkere Kontrolle über den Saatgut-Markt geben und damit langfristig den Pestizideinsatz erhöhen. Verlierer dieses toxischen Deals wären Umwelt, Biodiversität sowie Verbraucher:innen und Bäuer:innen.
Wenn wir das EU-Pestizidrecht lockern, haben wir am Ende womöglich nicht nur mehr Gentechnik auf unseren Feldern, sondern auch mehr Pestizide.Pestizidexperte bei foodwatch
In Ländern mit hohem Anteil an gentechnisch veränderten Sorten sind in den 25 Jahren seit deren Einführung keinerlei Pestizidreduktion erzielt worden. In Brasilien beispielsweise hat sich der Pestizidabsatz in den letzten 20 Jahren mehr als vervierfacht. Großkonzerne werden die Neue Gentechnik nutzen, um Saatgut über Patente zu kontrollieren und die landwirtschaftlichen Betriebe von sich abhängig zu machen. Dies führt zu einer höheren genetischen Uniformität, was wiederum einen höheren Pestizideinsatz zur Folge hat.
Pestizidausstieg bis 2035 - ohne Gentechnik
Geeignete Lösungen für einen Pestizidausstieg liegen bereits auf den Tisch: vorbeugender Pflanzenschutz und die ökologische Aufwertung der Flächen. Die EU ist jetzt gefordert, rasch ein ambitioniertes Gesetz zur verbindlichen Reduktion von Pestiziden auf den Weg zu bringen.
foodwatch forderte einen Pestizidausstieg bis 2035. Neben einer EU-weiten Pestizidsteuer braucht es eine Reform der Zulassungspraxis: Pestizide sollten nur noch als letztes Mittel in Notfällen eingesetzt werden dürfen. Zudem müssen die EU-Agrarsubventionen umverteilt werden: Für Landwirt:innen muss es sich wirtschaftlich lohnen, wenn sie keine Pestizide verwenden.