Der Einsatz von Pestiziden in der EU ist heute wesentlich höher als in den 1990er Jahren – mit fatalen Folgen für Artenvielfalt, Klimaschutz, Bodenqualität und Gesundheit. Mit dem Report „Locked-in pesticides“ hat foodwatch einen Ausstiegsplan bis 2035 entworfen. Wichtigste Forderung: Eine Pestizid-Steuer.
Ursprünglich schienen Pestizide ein nützliches Instrument zu sein, um Insekten, Unkräuter und Krankheiten zu bekämpfen. Doch schnell wurden fatale Wirkungen deutlich: Schädlinge wurden resistent. Nützlinge wie Marienkäfer, die zuvor Schädlinge gefressen hatten, wurden vernichtet, wodurch wiederum noch mehr Pestizide eingesetzt werden mussten. So ist ein Teufelskreis entstanden, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint.
Frankreich beispielsweise hatte vor einigen Jahren das Ziel ausgerufen, den Pestizidverbrauch um 50 Prozent zu reduzieren – und ist komplett gescheitert. In den meisten französischen Departements und bei wichtigen Produkten wie Weintrauben, Weichweizen, Gerste und Raps ist der Pestizideinsatz weiter gestiegen.
Die enormen Schäden und Kosten, die mit dem Pestizid-Einsatz verbunden sind, müssen wir alle bezahlen.Strategie-Direktor von foodwatch International
Bisheriger Ansatz der EU reicht nicht
Mit ihrer im Mai 2020 vorgestellten „Farm to Fork“-Strategie („vom Hof auf den Teller“) hat die EU-Kommission nun zwar zum ersten Mal ein konkretes Ziel formuliert: Die Menge der verwendeten Pestizide soll halbiert werden. Doch der kürzlich vorgelegte Verordnungs-Entwurf zur „Nachhaltigen Verwendung von Pestiziden“ enttäuscht. Die enthaltenen Maßnahmen reichen nicht, um die Landwirt:innen in der EU aus der Pestizidfalle zu befreien.
Landwirt:innen sind im Moment Gefangene des Systems: Produzieren sie ohne Pestizide, sinken die Einnahmen bei steigenden Kosten – ohne, dass dies ausgeglichen würde. Das macht den Ausstieg für sie wirtschaftlich kaum möglich.
Die Frage, um die es geht, lautet: Sind wir für oder gegen die zukünftige Ernährungssicherheit in der EU?Unabhängiger Experte für Pestizide und Autor des foodwatch-Berichts
Wie man den Pestizid-Ausstieg wirklich schafft
Es reicht nicht aus, Ziele zu formulieren. Wir brauchen konkrete politische Maßnahmen! Der Pestizid-Ausstieg ist machbar – und zwar durch folgende Schritte:
- EU-weite Pestizid-Steuer: Schädliche Pestizide müssten stärker besteuert werden als sichere Alternativen.
- Reform der derzeitigen Zulassungspraxis für Pestizide: Alle Zulassungen für Pestizide müssen überprüft werden. Pestizide dürfen nur noch als letztes Mittel in Notfällen eingesetzt werden.
- EU-Agrarsubventionen für den Verzicht auf Pestizide: Für Landwirt:innen muss es sich wirtschaftlich lohnen, wenn sie keine Pestizide verwenden.
Der Einsatz von Pestiziden muss deutlich teurer und ein Verzicht auf Pestizide honoriert werden.Strategie-Direktor von foodwatch International