Wie laufen eigentlich Lebensmittelrückrufe ab?
Martin Rücker von foodwatch antwortet:
In Deutschland werden im Schnitt etwa drei Lebensmittel pro Woche zurückgerufen. Zum Beispiel, weil sie Fremdkörper wie Glassplitter oder Plastikteile enthalten oder mit Salmonellen oder Listerien belastet sind. Im Fall der Fälle ist wichtig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher schnellstmöglich gewarnt werden. Sonst kann es gefährlich werden. Doch wann muss vor einem Lebensmittel gewarnt werden? Wie erfahre ich von Lebensmittelrückrufen? Und was mache ich, wenn ich selbst ein unsicheres Lebensmittel entdecke?
Wann muss ein Lebensmittel zurückgerufen werden?
Nach europäischem Recht tragen die Unternehmen die Hauptverantwortung für die Sicherheit ihrer Lebensmittel – und damit auch für die Entscheidung, ob ein Produkt zurückgerufen wird oder nicht. Sobald ihnen durch Selbstkontrollen, durch Tests der Behörden oder durch eine Information aus der Kundschaft bekannt wird, dass ein Lebensmittel „nicht sicher“ ist, müssen sie „unverzüglich“ mit der Gefahrenabwehr beginnen. Wenn das Produkt die Verbraucherinnen und Verbraucher bereits erreicht haben könnte, muss es öffentlich zurückgerufen werden. Das bedeutet, dass das Produkt nicht nur still und leise aus den Regalen geräumt werden darf, sondern die Verbraucherinnen und Verbraucher öffentlich über den Rückruf informiert werden müssen, meist verbunden mit einer Verzehrwarnung und der Bitte, die betroffenen Lebensmittel zurückzubringen. Soweit die Theorie. In der Praxis kommt es stark auf den Willen und die Kompetenz des Unternehmens an – und auf die Abwägung zwischen Verbraucherschutz und einem möglichen Imageverlust.
Wie erfahre ich von Lebensmittelrückrufen?
Leider erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher in dem allermeisten Fällen nichts von den Rückrufen oder werden zu spät informiert. Das liegt zum einen daran, dass Supermärkte nur in den seltensten Fällen alle ihre Kanäle nutzen, um vor einem unsicheren Lebensmittel zu warnen. Wir haben für einen foodwatch-Report große Handelsketten befragt, wie sie über Rückrufe informieren. Das Ergebnis: Kaum ein Supermarkt macht Aushänge an zentraler Stelle im Markt über alle Rückrufaktionen aus seinem Sortiment. Meist wird nur über Eigenmarken informiert. Die Hersteller gaben zwar an, dass es zum Standard gehöre, eine Pressemitteilung zu verschicken. Doch ob diese von den Medien aufgegriffen wird und wir in der Zeitung oder im Radio von einem Rückruf erfahren, hängt stark von der Bekanntheit des betroffenen Herstellers ab. Sind unbekannte Marken betroffen, erfahren wir häufig nichts von der Gesundheitsgefahr. Und obwohl die meisten Handelsketten über ihre Social-Media-Kanäle und Newsletter eine Menge Menschen erreichen könnten, weisen sie darin nur in Ausnahmefällen auf Rückrufe hin.
Behörden informieren zu spät
Die für Lebensmittelsicherheit zuständigen Behörden dürfen in den meisten Fällen nicht mit einer eigenen Warnung an die Öffentlichkeit gehen, wenn sie von einem unsicheren Lebensmittel erfahren. In der Regel verbreiten sie lediglich weiter, wenn ein Unternehmen einen Rückruf bereits veröffentlicht hat – doch auch das funktioniert mehr schlecht als recht. Oftmals sind die Behörden zu langsam, wenn es um die Verbreitung von bereits erfolgten Rückrufen geht. 2011 hatten Bund und Länder die Internetseite www.lebensmittelwarnung.de als zentrale Informationsplattform für Verbraucherinnen und Verbraucher gestartet – ein Anspruch, den das Portal allerdings bis heute nicht erfüllt. Die Seite ist unübersichtlich, liefert Rückrufhinweise nur lückenhaft – und jede zweite Meldung erfolgt verzögert. Zudem bietet sie keinen Newsletter an, der Verbraucherinnen und Verbraucher über die aktuellen Rückrufe informiert. Die von einem Privatmann betriebene Seite www.produktrueckrufe.de verbreitet Lebensmittelwarnungen häufig schneller als die behördliche Seite. Sie bietet auch die Möglichkeit, sich über verschiedene Social-Media-Kanäle auf dem Laufenden zu halten.
Was mache ich, wenn ich selbst ein unsicheres Lebensmittel entdecke?
Entdeckt man selbst ein Lebensmittel, das gefährlich sein könnte, meldet man dies am besten sofort dem Hersteller. Zudem sollte man ein Lebensmittelüberwachungs- oder Veterinäramt informieren – am besten in der Kommune, in der Sie das Produkt gekauft haben. Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, solchen Beschwerden nachzugehen.