Fragen & Antworten zu Pestiziden
foodwatch will den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft europaweit beenden. Wir haben eine Strategie entwickelt, wie dies bis 2035 möglich ist. Hier finden Sie Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen zum Thema.
Pestizide sind Chemikalien, die in der Landwirtschaft zur Bekämpfung von Krankheiten, Schädlingen, Unkraut oder anderen Organismen eingesetzt werden. Sie werden auch als Pflanzenschutzmittel bezeichnet. Sie werden entweder in flüssiger Form auf die Pflanzen gesprüht oder in Form von kleinen Körnern auf den Boden gestreut. Es gibt verschiedene Kategorien von Pestiziden, je nach ihrem Zweck:
- Insektizide (diese Stoffe bekämpfen Insekten)
- Herbizide (diese Stoffe bekämpfen Unkraut)
- Fungizide (diese Stoffe bekämpfen durch Pilze verursachte Krankheiten)
Pestizide sind giftige Stoffe, die dazu bestimmt sind, etwas zu töten (Insekten, Unkraut oder Pilze). Aufgrund dieser Toxizität stellen sie ein Risiko für die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen dar. Europäische und nationale Rechtsvorschriften regeln die Zulassung von Pestiziden. Es gibt Vorschriften für den Einsatz von Pestiziden, die sicherstellen sollen, dass Verbraucher:innen, Umwelt und Anwender nicht gefährdet werden. Es werden Normen festgelegt, die bestimmen, wie viel giftige Rückstände von jeder Art von Pestiziden auf Lebensmitteln verbleiben dürfen.
In der Praxis funktioniert das nicht gut. Der dauerhafte Einsatz aller Arten von Pestiziden verschmutzt Boden und Wasser und schädigt Pflanzen- und Tierarten, die nicht Ziel der Bekämpfung waren. Insekten leiden stark unter dem Pestizideinsatz, was sich wiederum auf die Vogelpopulationen auswirkt.
Auch für die Verbraucher:innen gibt es Gefahren. Pestizide werden zu leicht auf der Grundlage von Risikostudien genehmigt, die von der Industrie selbst vorgelegt werden. Es kann sehr lange dauern, bis ein schädliches Pestizid endlich vom Markt genommen wird. Giftige Rückstände auf den Pflanzen stellen ebenfalls ein Risiko dar. Die Höchstwerte für Rückstände auf Lebensmitteln gelten nur für jedes einzelne Gift. Manchmal finden sich auf einem Stück Obst Dutzende verschiedener Giftstoffe, von denen sich einige in ihrer schädlichen Wirkung gegenseitig verstärken können. Diese kumulativen Wirkungen der Giftcocktails spielen bei den Risikobewertungen keine Rolle.
Ja, das können wir. Tatsächlich sind Pestizide das am wenigsten wirksame Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen, Krankheiten und Unkraut – denn diese kommen immer wieder zurück, wenn keine anderen Maßnahmen ergriffen werden. Das ist auch der Grund, warum die Landwirtschaft im Pestizideinsatz gefangen ist.
Ackerbau ohne Pestizide ist möglich – denn es gibt alternative Methoden zur Bekämpfung von Schädlingen, Krankheiten und Unkraut. Die wichtigsten Maßnahmen sind:
- 1die Sicherstellung gesunder Böden (regenerative Bodenbewirtschaftung),
- die Auswahl widerstandsfähiger Pflanzen
- Abwechselnder Anbau von Kulturen (Fruchtfolge)
- der gleichzeitige Anbau verschiedener Kulturarten oder -sorten,
- die Schaffung und Erhaltung der Artenvielfalt, mit Wildblumenzonen, Blühstreifen, Hecken, Baumreihen und der Einrichtung von Lebensräumen für Vögel,
- die Reduzierung des Stickstoffeintrags durch Düngemittel.
Der Bericht „Locked-in pesticides“ erläutert diese Maßnahmen ab Seite 56 im Detail.
Weg von Monokulturen!
Eine pestizidfreie Landwirtschaft erfordert große Veränderungen auf dem Feld. Wo im Moment auf riesigen Flächen die immergleichen Pflanzen wachsen, muss mehr Abwechslung her – denn in Monokulturen können sich Schädlinge rasend schnell ausbreiten. Wir brauchen eine vielfältigere Bewirtschaftung: Würden zum Beispiel streifenweise unterschiedliche Pflanzen angebaut, könnten Schädlinge nicht so schnell von einem Streifen auf den nächsten übergreifen.
Doch dazu ist ein Systemwechsel nötig – und der braucht einen Anreiz. Der Verzicht auf Pestizide muss sich für Landwirt:innen auszahlen. Dafür sind Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene nötig, die eine umweltschädliche Landwirtschaft verteuern und dafür sorgen, dass es sich für Landwirt:innen finanziell lohnt, wenn sie auf Pestizide verzichten.
Mehr dazu in der Antwort auf die Frage „Welche Maßnahmen wären auf europäischer Ebene und national nötig?“
Nicht zwangsläufig. Der Verzicht auf Pestizide bedeutet nicht automatisch weniger Ertrag. Er bedeutet jedoch, dass Schädlinge und Krankheiten auf alternative, natürliche Weise verhindert und bekämpft werden müssen, zum Beispiel durch mehr Artenvielfalt. (Siehe auch vorherige Frage).
Außerdem müssen Landwirt:innen faire Preise erhalten, die sie auch gegen Risiken absichern. Das viel realistischere Risiko sind aber Ernteausfälle durch lang anhaltende Hitze und Dürre, die im Zuge des Klimawandels verstärkt auftreten.
Die Befürchtung, dass der Verzicht auf Pestizide zu einer weltweiten Hungersnot führen würde, ist ungerechtfertigt. Geschürt wird er von der Pestizidindustrie und der Lobby der Großbauern. Tatsächlich gibt es weltweit eine enorme Überproduktion an Lebensmitteln. Millionen Tonnen von Lebensmitteln werden bei der Produktion, der Verarbeitung und in den Supermärkten verschwendet. Zudem nutzen wir unsere Anbauflächen wenig effizient. Die meisten für den Ackerbau geeigneten Flächen werden für den Anbau von Pflanzen genutzt, die zur Fütterung von Fleisch- und Milchtieren verwendet werden. Die Landwirtschaft der EU ernährt jährlich sieben Milliarden Tiere – aber „nur“ 450 Millionen Menschen. Es muss umgestaltet und umverteilt werden.
Mit pestizidfrei meinen wir, dass der Pestizideinsatz so gering wie möglich sein sollte. Unser Idealszenario ist eine Kombination aus vorbeugendem Pflanzenschutz, beispielsweise durch die Erhöhung der Artenvielfalt. Und natürlichen Mitteln zur Schädlingsbekämpfung. Das können zum Beispiel Nützlinge sein, also Tierarten, welche die Schädlinge fressen. Der Einsatz von Pestiziden muss das letzte Mittel sein.
Der ökologische Landbau ist ein großer Fortschritt gegenüber der konventionellen Landwirtschaft, aber es gibt immer noch eine Reihe von Problemen: So sind selbst im Öko-Landbau gefährliche Stoffe zur Schädlingsbekämpfung erlaubt. Bio-Äpfel, Bio-Trauben und Bio-Kartoffeln werden beispielsweise häufig mit Kupfer behandelt, einem sehr giftigen Fungizid (Anti-Pilz-Mittel). Auch Spinosad, ein Insektizid, das Bienen tötet, darf auf Bio-Gemüse und -Obst verwendet werden.
foodwatch fordert einen generellen Verzicht auf Pestizide, auch im Ökolandbau. Vorbeugende Schutzmaßnahmen müssen an erster Stelle stehen. Erst an zweiter Stelle dürfen sie durch risikoarme Pflanzenschutzmittel ergänzt werden.
Fast alle Versuche, den Pestizideinsatz in großem Umfang zu reduzieren, sind gescheitert. Hauptgrund ist der große Preisdruck in der Landwirtschaft und der globale Wettbewerb. Der Druck, so billig wie möglich zu produzieren, führt zu großflächige Monokulturen und dem massiven Einsatz von Pestiziden. Landwirte haben momentan gar keinen Spielraum, um auf Pestizide zu verzichten und stattdessen auf widerstandsfähige Kulturen und biologische Vielfalt zu setzen.
Die Politik hat gezeigt, dass sie erst dann handelt, wenn die Probleme akut geworden sind. In den letzten Jahrzehnten hat die industrielle Landwirtschaft viele ökologische und soziale Probleme verursacht, was zu einem großen Flickenteppich von Ad-hoc-Gesetzen und politischen Maßnahmen geführt hat. Jedes Problem wird separat angegangen, oft fehlt es an Kohärenz, einige Maßnahmen sind sogar widersprüchlich. Viele landwirtschaftliche Probleme, wie der Einsatz von Pestiziden, sind jedoch eng mit anderen Problemen verknüpft.
Hinzu kommt, dass sich in den Köpfen der Menschen hartnäckige Glaubenssätze festgesetzt haben. Einige Bürger:innen, Agrarökonom:innen und Landwirt:innen sind der Meinung, dass Ernährungssicherheit nur durch eine industrielle Landwirtschaft erreicht werden kann, die auf Pestizide, Düngemittel und Gentechnik setzt. Die Industrielobby ist stark und beharrt gegenüber den Politikern immer wieder darauf, dass es ohne diese nicht geht. Das würde zu Hungerkatastrophen führen. Dabei könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein: Es gibt eine gigantische Überproduktion, Lebensmittelverschwendung und ineffiziente Flächennutzung, weil auf riesigen Flächen Tierfutter statt Nahrungsmittel angebaut wird.
Die Regierungen müssen jetzt handeln, um eine widerstandsfähige, nachhaltige Landwirtschaft ohne Pestizideinsatz zu erreichen. Es reicht nicht Ziele aufzuschreiben, die unter starker Beteiligung der Industrie formuliert wurden. Stattdessen brauchen wir einen konkreten EU-Aktionsplan mit finanziellen Maßnahmen. Der Plan muss ganzheitlich sein, denn er erfordert politische Anpassungen in den Bereichen Klima, Landwirtschaft, Handel, Bildung, Forschung, Anbau und Werbung.
Die Maßnahmen müssen dazu führen, dass es die umweltschädigende Produktion von Lebensmitteln teurer wird. Das kann durch die Einführung von Steuern auf Pestizide und CO2 sowie durch höhere Zulassungsgebühren für Pestizide geschehen.
Die EU muss ihre Agrarpolitik so umgestalten, dass es sich für Landwirte finanziell lohnt, nachhaltig und pestizidfrei zu arbeiten. Dies kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass Subventionen sich nicht mehr nach der Größe der Fläche richten, sondern nach dem Einsatz von Arbeitskräften. Die Politik muss sich zudem auf die Förderung des direkten, lokalen und regionalen Handels konzentrieren.
Wir haben für jede Kulturpflanze einen Plan zur Abschaffung des Pestizideinsatzes erstellt. Der Bericht „Locked-in pesticides“ zeigt ab Seite 94 auf, wie die Zukunft jeder Kulturpflanze idealerweise aussehen sollte, welche Maßnahmen erforderlich sind, um den Pestizideinsatz zu beenden, und welche politischen Instrumente dafür eingesetzt werden können.
So könnte beispielsweise der Anbau von Gemüse, Nüssen, Oliven und Kartoffeln mit den richtigen Maßnahmen in neun Jahren pestizidfrei sein. Getreide könnte sogar schon in drei Jahren pestizidfrei angebaut werden. Lediglich Weinberge und Apfelplantagen benötigen deutlich mehr Zeit, aber auch für diese könnte der pestizidfreie Anbau bis 2035 Realität sein.
Tatsächlich: Nachdem Sri Lanka (um den Devisenmangel einzudämmen) im vergangenen Jahr quasi über Nacht die Einfuhr von Kunstdünger verboten hatte und Landwirt:innen nur noch Bio-Dünger verwenden sollten, brachen die Ernten ein. Ein Drama. Aber taugt es als Beleg dafür, dass es ohne Pestizide und Kunstdünger nun mal nicht geht? Nein, denn der Fall zeigt lediglich: Einfach mit den gleichen, anfälligen Monokulturen weitermachen, nur eben von heute auf morgen ohne Pestizide – das führt zu Problemen. Ein schrittweiser Pestizid-Ausstieg jedoch, verbunden mit alternativen Methoden gegen Unkraut und Schädlinge – das ist nicht nur möglich, sondern nötig, wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen.