CETA ist schädlich für unsere Demokratie und politisch falsch. Das steht für foodwatch, Mehr Demokratie und Campact fest, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens in Karlsruhe. Darüber hinaus gibt es viele gute Argumente, daran zu zweifeln, dass das Abkommen mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies wollen die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde bereits zur Entscheidung angenommen. Für die Feststellung, dass CETA verfassungswidrig ist, bestehen jedoch hohe Hürden.
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens in Karlsruhe weist CETA nicht akzeptable demokratische Defizite auf. Wie jedes völkerrechtliche Abkommen begrenzt auch CETA bewusst nationalstaatliche Handlungsspielräume zugunsten transnationaler Ziele. Damit wird bewusst auch eine Einschränkung des Demokratieprinzips in Kauf genommen, also das Recht der Bürgerinnen und Bürger, ihr eigenes politisches Schicksal zu bestimmen, beschnitten.
Konkret heißt das:
CETA schränkt Parlamente ein und beeinflusst so den Alltag der Bürgerinnen und Bürger
Im Falle von CETA, einem Freihandelsabkommen der neuen Generation, das neben Zollsenkungen, die Beseitigung nicht-tarifärer Handelshemmnisse zum Ziel hat, wird diese Selbstverständlichkeit jedoch zum Problem. Denn die Vertragsmechanismen sehen vor, dass die Regulierungsfreiheit der Regierungen/Parlamente de facto eingeschränkt wird, wenn es um die Erhaltung und Weiterentwicklung des Gesundheits-Umwelt-und Verbraucherschutzes geht, von Maßnahmen also, die das tägliche Leben und das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger Kanadas und Europas bestimmen.
Was einmal beschlossen wurde, kann kaum rückgängig gemacht werden
Zwischen den Vertragsparteien verbindlich vereinbarte Schutzstandards können nur noch im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden. Handelt ein Vertragspartner einseitig, muss er mit Sanktionen wie Strafzöllen rechnen. Nach Abschluss des Abkommens bestünde keine Möglichkeit, das Abkommen in Teilen zu kündigen, um eine größere Regelungssouveränität zurückzuerlangen. Eine Kündigung des gesamten Vertrages kann zwar einseitig durch die Vertragspartner (EU und Kanada) erfolgen. Dies würde aber im Falle der EU die Einstimmigkeit aller Mitgliedsstaaten erfordern, ist also wenig realistisch.
Sonderrechte für ausländische Investoren machen Druck auf Regierungen und Kommunen
Zudem haben Investoren die Möglichkeit, Regierungen, aber auch Kommunen, durch die Drohung mit Schadenersatzforderungen unter Druck zu setzen und damit gesellschaftspolitische Verbesserungen zu verhindern bzw. zu verwässern.
CETA wirkt sich auf die Gesetzgebung aus
CETA-Befürworter behaupten, dass das „right to regulate“, also das Recht der Parlamente, Regulierungen zu beschließen, nicht angetastet wird. Dies ist zwar insofern richtig, als einer Regierung oder einem Parlament nicht das Recht genommen werden kann, zu regulieren. In der Praxis schränkt CETA jedoch den gesetzgeberischen Handlungsspielraum ein, nämlich durch das Risiko möglicher Vertragsstrafen, Handelssanktionen oder Schadenersatzklagen von Investoren. Erschwerend kommt hinzu, dass es das eindeutige Ziel des Abkommens ist, non-tarifäre Handelshemmnisse zu beseitigen und nicht neue – etwa durch strengere Schutzstandards – zu schaffen.
CETA schwächt die Parlamente und Bürgerinnen und Bürger
Ein demokratisch nicht legitimiertes Steuerungsgremium (der „Gemischte CETA-Ausschuss“) soll den Vertrag auslegen und teilweise sogar verändern können – ohne Rückkopplung an die Parlamente. Bei der „regulatorischen Kooperation“, der Zusammenarbeit zwischen Kanada und der EU bei der Gesetzgebung, erhalten Exekutivorgane erweiterte Befugnisse. Die Legislative wird geschwächt. Damit würde auch der Einfluss von Wirtschaftsinteressen auf die Regulierung erleichtert: Für die Wirtschaftslobby ist es leichter, einzelne Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf ihre Seite zu bringen, die nicht demokratisch gewählt und insofern der Bevölkerung keine Rechenschaft schuldig sind.
In vier Punkten verstößt CETA nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer gegen das Grundgesetz:
- Ein allein mit Vertreterinnen und Vertretern der Exekutive besetztes Gremium – der „Gemischte CETA-Ausschuss“ – soll ermächtigt werden, einseitig Verfahrensvorschriften zu erlassen und sogar Vertragsänderungen vorzunehmen, ohne nationales Verfahren und ohne die Zustimmung der Vertragsstaaten. Die Beteiligung deutscher staatlicher Repräsentanten im Gemischten CETA-Ausschuss ist nicht vorgesehen.
- Kanadische Unternehmen können Investitionsgerichte anrufen, um den deutschen Staat bzw. Bundesländer und Kommunen auf Schadensersatz zu verklagen, wenn sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Unternehmungen durch staatliche Maßnahmen beeinträchtigt sehen. Damit wird eine unzulässige Paralleljustiz geschaffen und eine Ungleichbehandlung deutscher Unternehmen erzeugt.
- Das Vorsorgeprinzip als ein Kernelement der europäischen Regulierungspolitik ist in CETA rechtlich nicht hinreichend abgesichert.
- Die vorläufige Anwendung.
Zusammen mit der Verfassungsbeschwerde haben Campact, foodwatch und Mehr Demokratie einen Eilantrag eingereicht, mit dem Ziel, die vorläufige Anwendung des CETA zu stoppen. Diesen Antrag hat das Bundesverfassungsgericht am 13. Oktober 2016 abgelehnt; die vorläufige Anwendung jedoch gleichzeitig an bestimmte Bedingungen geknüpft. Nachdem die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer diese Bedingungen durch die Bundesregierung nicht umgesetzt sahen, reichten sie einen erneuten Eilantrag ein, um die vorläufige Anwendung doch noch zu verhindern. Auch diesen Antrag lehnte das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 7. Dezember 2016 ab.
Seit dem 21. September 2017 wird CETA vorläufig angewendet.
Ein Termin für die Anhörung im Hauptsacheverfahren wird für die erste Jahreshälfte 2021 erwartet.
Campact, foodwatch und Mehr Demokratie hatten eine „einstweilige Anordnung“ beantragt. Das Bundesverfassungsgericht sollte dem deutschen Vertreter im EU-Ministerrat auftragen, bei der Abstimmung über die vorläufige Anwendung mit „Nein“ zu stimmen. Damit wäre die vorläufige Anwendung nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer verhindert worden.
Bei CETA handelt es sich um ein gemischtes Abkommen, d.h. es werden auch Dinge geregelt, die in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallen. Daher muss das Abkommen nicht nur von den Vertragsparteien, EU und Kanada, sondern von jedem einzelnen Mitgliedsstaat der EU ratifiziert werden. Dies ist ein langwieriger Prozess. Daher hat man sich auf eine vorläufige Anwendung des CETA geeinigt.
Auch eine nur „vorläufige“ Anwendung von CETA bzw. von Teilen des Vertrages schafft endgültige Fakten. Denn selbst wenn z.B. der Bundestag noch gegen das Abkommen stimmt und die Ratifizierung scheitert, gelten nun erst mal die Regelungen des Abkommens. Negative Folgen des Abkommens, beispielsweise im Umwelt- oder Verbraucherschutz, sind nicht unbedingt rückholbar. Hinzu kommt: Die „vorläufige“ Anwendung kann zu einem Dauerzustand werden. Denn sie bleibt so lange bestehen, bis die Ratifizierung „endgültig“ abgeschlossen ist. Dies kann Jahre dauern – Jahre, in denen die Bürgerinnen und Bürger den negativen Wirkungen des Vertrags ausgesetzt sind, ohne dass der Vertrag demokratisch beschlossen wurde. Denn es kann sein, dass der Ratifikationsprozess nicht sofort mit dem „Nein“ eines nationalen Parlaments beendet wird, sondern formal erst dann, wenn der Rat der Europäischen Union dies beschließt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge abgelehnt. Es hat bei der Entscheidung abgewogen, was schwerer wiegt: die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, aber die Hauptsache Erfolg hätte – oder die Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Hauptsache aber keinen Erfolg hätte. Im Ergebnis ist das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss gekommen, dass für die Rechte der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer sowie die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages keine so schweren Nachteile erwartet werden, dass es einer einstweiligen Anordnung bedürfte. Dies gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass die Bundesregierung sicherstellt:
- Dass nur die Teile vorläufig angewendet werden, die in die alleinige Zuständigkeit der EU fallen. Die vorläufige Anwendung des Schiedsgerichtssystems wurde damit überwiegend ausgeschlossen.
- Dass die CETA-Ausschüsse demokratisch an die Parlamente der Mitgliedstaaten rückgebunden werden.
- Dass Deutschland und andere Mitgliedstaaten die vorläufige Anwendung von CETA einseitig kündigen können.
Nein. Das genügt nicht. Die vorläufige Anwendung kann trotzdem nicht mehr rückholbare, negative Folgen haben; zum Beispiel die mangelhafte Verankerung des Vorsorgeprinzips. Verbesserungen des Gesundheitsschutzes in der Umwelt-, Verbraucher- und Lebensmittelpolitik wurden in der Vergangenheit erfolgreich auf dieses verbindliche Rechtsprinzip der Unionsrechtsordnung gestützt. So muss z.B. vor der Zulassung von Verfahren oder Substanzen zunächst deren Sicherheit überprüft werden. Dies trifft etwa auf die international vorbildliche europäische Chemikalienverordnung „REACH“ zu. CETA bleibt hinter diesem Prinzip, nach dem Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit oder Umwelt bereits bei einem bloßen Gefahrenverdacht - also bevor Gefahren sich konkretisieren oder Schäden auftreten - ergriffen werden müssen, weit zurück.
Nein. Zur Kompetenz der EU gehört die gesamte Handelspolitik. Zahlreiche Regelungen, die in der Handelspolitik wirksam werden – zum Beispiel die rechtliche Absicherung des Vorsorgeprinzips oder die Rolle der bei CETA vorgesehenen Ausschüsse, die ohne hinreichende demokratische Legitimation verbindliche Entscheidungen über die Weiterentwicklung des Vertrages treffen können – haben weitreichende Auswirkungen auf das tägliche Leben der europäischen Bürgerinnen und Bürger.
Campact, foodwatch und Mehr Demokratie haben am 29. Oktober 2016 beim Bundesverfassungsgericht erneut einen Eilantrag gegen den Abschluss des Handelsabkommens CETA eingereicht. Es wurde wieder eine einstweilige Anordnung beantragt, mit der der deutschen Bundesregierung die finale Unterzeichnung des Vertrages untersagt werden sollte. Die Antragstellerinnen und Antragsteller waren der Auffassung, dass die Vorgaben des Gerichts durch die Auslegungs- und Zusatzerklärungen von Bundesregierung und EU-Kommission zu CETA nicht vollständig erfüllt seien. Das Gericht legte die Erklärungen jedoch so aus, dass Bundesregierung und EU-Kommission beabsichtigen, die Auflagen umzusetzen und lehnte daher auch diesen Eilantrag ab.
Keinesfalls. Mit der Ablehnung des Bundesverfassungsgerichts hat es noch nicht gesagt, ob es CETA bzw. Teile des Vertrags als verfassungswidrig einstuft. Dies wird im Hauptsacheverfahren geklärt. Nach der Zurückweisung der Eilanträge kann der Verfassungsbeschwerde immer noch stattgegeben werden.
Nein. Campact, Mehr Demokratie und foodwatch begrüßen jede Initiative, die die Diskussion über die Gefahren von CETA befördert und zum Stopp des Abkommens beitragen kann. Die anderen Verfassungsbeschwerden sehen wir nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Durch die Vielzahl an Initiativen ist sichergestellt, dass die Argumente der CETA-Kritiker in Karlsruhe gleich durch eine ganze Reihe hochqualifizierter Prozessbevollmächtigter vertreten werden.
Ja. Der politische Kampf um CETA wird unabhängig von der juristischen Auseinandersetzung weitergehen. Da alle EU-Mitgliedstaaten dem Vertrag zustimmen müssen, gibt es noch viele Möglichkeiten für zivilgesellschaftliches Engagement gegen das Abkommen.