Kommentar: „Hört das denn niemals auf?“
Wissen Sie, wie viele Eier Holland monatlich nach Deutschland exportiert? Es sind 400.000.000. Nein, keine Null zu viel: 400 Millionen, im Monat, nur nach Deutschland. Kein Wunder, dass kürzlich nicht tausende, sondern Millionen mit dem verbotenen Desinfektionsmittel Fipronil belastete Eier plötzlich in 45 Ländern auftauchten, darunter neben Deutschland auch Holland, Libanon, Hongkong.
Ein Kommentar von foodwatch-Gründer Thilo Bode
Vor fünfzehn Jahren habe ich foodwatch gegründet, nach dem Rinderwahnsinn-Skandal. Damit wir Verbraucherinnen und Verbraucher endlich besser geschützt sind. Aber nach BSE hat man uns weiter Dioxin in Eiern und Milch, tödliche Sprossen im Salat, Pferdefleisch in der Lasagne und jetzt ein verbotenes Desinfektionsgift serviert, nicht nur in Eiern, sondern auch in Kuchen, Mayonnaise und Nudeln.
Damit muss Schluss sein! Und dafür muss nur endlich bestehendes Recht konsequent angewendet und Gesetzeslücken geschlossen werden:
Klarer Verstoß gegen das Lebensmittelrecht
Erstens: Die Anwendung des verbotenen Gifts Fipronil in Geflügelbetrieben ist eine Straftat. Völlig ausschließen lassen sich kriminelle Machenschaften niemals. Passiert es dann aber doch, muss man eines erwarten können: Der Verkauf der belasteten Eier muss sofort gestoppt werden. Dies ist bei unsicheren Lebensmitteln noch viel wichtiger als bei anderen defekten Produkten. Denn schließlich kann ein konsumiertes Fipronil-Ei nicht mehr umgetauscht werden wie ein defekter Staubsauger.
Doch Behörden und Unternehmen wussten auch nach Wochen noch nicht einmal, wohin wie viele Eier geliefert worden sind. Die Bundesregierung hat das offen zugegeben. Dies ist ein klarer Verstoß gegen das Lebensmittelrecht, dem zufolge die sogenannte „Rückverfolgbarkeit“ der gehandelten Produkte ohne „Wenn und Aber“ „sichergestellt“ werden muss.
Verbraucher wurden nicht sofort informiert
Zweitens: Man muss uns sofort informieren, wenn Fipronil-belastete Eier auftauchen! Leider ein frommer Wunsch. Die niederländischen Behörden wussten schon seit November 2016 von dem Gift in den Eiern, aber sie haben weder die Eier aus dem Verkehr gezogen noch uns Verbraucherinnen und Verbraucher informiert. Wie kann das passieren? Ganz einfach. Nach der Rechtslage sollen Behörden bei einem solchen Vorfall informieren, müssen aber nicht. Klarer könnte der Beweis nicht sein: In Europa werden die Hersteller auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt.
Empfindliche Strafen für Unternehmen fehlen
Drittens: Was ist, wenn Unternehmen sogar „etwas“ wissen? Wenn Unternehmen Informationen über Mängel bei den von ihnen vertriebenen Lebensmitteln haben, verhindert ein Gummiparagraph wirkungsvollen Schutz. Denn nur wenn sie „Grund zur Annahme“ haben, dass ein Lebensmittel NICHT in den Verkehr geraten DARF, müssen Betriebe die Behörden informieren. Und selbst wenn ein Unternehmen das versäumt und sich eigentlich gar nicht mehr herausreden kann: Empfindliche Strafen braucht es nicht zu befürchten.
Das muss aufhören! Wir müssen endlich vor dem Verzehr von Eiern geschützt werden, die mit verbotenen Desinfektionsmitteln belastet sind. Dass so etwas fünfzehn Jahre nach BSE noch immer möglich ist, finde ich empörend. Wir Verbraucherinnen und Verbraucher müssen uns endlich wehren können. Wir müssen das Recht haben, Behörden anzeigen zu können, wenn sie gegen Gesetze und Vorschriften verstoßen. Es müssen endlich Gesetzeslücken geschlossen und bestehendes Recht konsequent angewendet werden.
foodwatch International streitet in Europa für mehr Verbraucherrechte
Aber: Wir können das nicht in Deutschland allein stemmen. Das geht nur europäisch. Daher haben wir foodwatch International gegründet. Um in koordinierter Zusammenarbeit der foodwatch-Büros in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden noch wirksamer Druck auf das Europaparlament und die Europäische Kommission ausüben zu können. Im Rahmen dieser Umorganisation habe ich die Führung von foodwatch Deutschland abgegeben und eine neue Aufgabe in unserer Organisation übernommen, nämlich die Leitung von foodwatch International. Das heißt, ich werde meine gesamte Kraft dafür einsetzen, dass wir uns als internationale Organisation auf europäischer Ebene Gehör verschaffen. Damit in der EU endlich Gesetze erlassen werden, die die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher schützen und nicht die Profite der Konzerne! Dafür werde ich persönlich — als Chef von foodwatch International — mit großer Hartnäckigkeit streiten.
Setzen wir gemeinsam dieser völlig verfehlten Verbraucherpolitik ein Ende! Es muss endlich Schluss sein mit Gift-Eiern, Pferdefleisch-Lasagne, Grenzwertüberschreitungen bei Dioxin, Gammelfleisch und Co.
Thilo Bode gründete im Herbst 2002 foodwatch. Seit dem 1. April 2017 treibt er als Geschäftsführer von foodwatch International den Aufbau einer unabhängigen europäischen Verbraucherrechtsorganisation voran. foodwatch International fungiert als Dachorganisation für die nationalen foodwatch-Büros in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden.