Pferdefleisch-Skandal: Billig ist nicht das Problem!
Pferdefleisch wird als Rindfleisch deklariert – und die Schuld am Täuschungsskandal tragen die Verbraucher, weil die immer nur alles billig einkaufen wollen? Diese perfide Argumentation greift nach Meinung von foodwatch zu kurz. Lebensmittelbranche und Politik versuchen den Verbrauchern die Schuld in die Schuhe zu schieben, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Das wahre Problem liegt woanders.
Egal ob Gammelfleisch im Döner, Dioxin im Ei oder Pferd in der Rinderlasagne – bei jedem neuen Lebensmittelskandal heißt es reflexartig wieder: Der Verbraucher ist mit seiner „Geiz ist geil-Mentalität" selber schuld. Wer immer nur „billig, billig“ einkauft, muss sich nicht wundern, wenn er schlechte Produkte bekommt und belogen und betrogen wird.
So weit, so einfach. Doch diese Argumentation greift zu kurz – und lenkt den Blick weg von den eigentlichen Problemen. Politik und Lebensmittelbranche schieben den Verbrauchern nur zu gerne die Verantwortung für eigene Verfehlungen in die Schuhe. Richtig ist: Der Kunde ist im Lebensmittelmarkt keinesfalls der König, der mit seinen Kaufentscheidungen Angebot und Produktionsweise bestimmen kann.
- Täuschung ist keine Frage des Preises: Nicht deklariertes Pferdefleisch ist in Nestlé-Produkten genauso aufgetaucht wie in billigen No-Name-Artikeln. Etikettenschwindel ist gerade bei teuren Markenprodukten nachgewiesen worden (probiotische Joghurts, Kinderprodukte etc.).
- Qualität ist nicht am Preis messbar: Bei Lebensmitteln ist teuer nicht automatisch gut und billig nicht automatisch schlecht. Bei einer billigen No-Name-Lasagne und einer teuren Marken-Lasagne handelt es sich mitunter sogar um das gleiche Produkt in identischer Qualität aus derselben Produktion.
- Qualität wird nicht transparent – billig kaufen ist oft vernünftig: Lebensmittelhersteller geizen mit Informationen über die Beschaffenheit ihrer Produkte. Wie und wo zum Beispiel sind Tiere gehalten worden – das steht nicht auf der Verpackung. Ob das teurere Fleisch „besser“ ist, können Verbraucher beim Einkauf nicht erkennen, mangels geeigneter Information können sie die Qualitäten zweier Produkte, anders als die Preise, nicht vergleichen – der Griff zum billigeren Produkt ist daher häufig vernünftig.
- Es herrscht ein Preis- und kein Qualitätswettbewerb: Jedes Unternehmen, egal in welchem Preissegment es seine Produkte verkauft, will Kosten senken und Gewinne maximieren. Solange Täuschung unbestraft bleibt und die Qualität nicht transparent gemacht werden muss, sind minderwertige Produkte, die mithilfe irreführender Angaben zu teuren Preisen verkauft werden, eine logische Folge eines fehlgeleiteten Marktes.
- Täuschung und Qualität sind keine Frage der Herkunft: Ein Bauer aus der Region behandelt Tiere nicht automatisch besser als ein anderer. Getäuscht wird auch und gerade bei Regionalprodukten: „Thüringer Land“- oder „Sachsen Milch“-Produkte stammen aus Bayern, „Mark-Brandenburg“-Milch aus Köln und „Büsumer Feinkost Louisiana Flusskrebse“ aus China.
- Die deutschen Verbraucher sind nicht geizig: Die Verbraucher in Deutschland sind keiner „Geiz-ist-geil-Mentalität“ verfallen. Sie geben deshalb pro Kopf im Vergleich etwa mit französischen Konsumenten geringere Anteile an ihrem Einkommen für Lebensmittel aus, weil das Preisniveau bei Nahrungsmitteln in Deutschland relativ gering ist – eine Folge des harten Wettbewerbs im Einzelhandel und der hohen Discounter-Dichte.
- Teuer – und trotzdem getäuscht: Obwohl französische Verbraucher pro Kopf mehr für Lebensmittel ausgeben (müssen), wurden sie mit Pferdefleisch-Lasagne getäuscht – genau wie die deutschen.
- Die Verbraucher sind bereit, mehr Geld für Qualität auszugeben: Sie kaufen überteuerte Markenjoghurts, weil sie aufgrund der Gesundheitsversprechen eine höhere Qualität vermuten. Sie kaufen nicht nur „Ja“-Milch, sondern auch „Landliebe“. Und sie kaufen keine Käfigeier mehr, obwohl diese mit Abstand am billigsten waren.
- Nur durch Information wird der Kunde König:Verbraucher konnten sich erst dann gegen Käfigeier entscheiden, als die EU die Kennzeichnung der Haltungsform vorgeschrieben hat. Bei verarbeiteten Eiern (in Nudeln, Gebäck etc.) muss sie nach wie vor nicht genannt werden – für diese Produkte verarbeitet die Industrie weiterhin vor allem Käfigeier. Das Beispiel zeigt: Der Kunde wird nur dann zum König, wenn er die notwendigen Informationen über ein Produkt erhält, um die Qualität beurteilen zu können.
Hinweis: Das Bundesverbraucherministerium hat unter www.pferdefleisch-rueckrufe.de Behördenmeldungen zu möglichen betroffenen Produkten zusammengestellt. Nicht aus allen Bundesländern finden sich allerdings bisher Informationen zu konkreten Produktnamen.