Nachricht 06.08.2022

Gericht: Ministerium durfte Studie zur Lebensmittel-Ampel nicht zensieren

BMEL/Janine Schmitz/photothek.net

Ministerien müssen staatliche Forschungsergebnisse unzensiert herausgeben, entschied das Verwaltungsgericht Köln. Geklagt hatte Foodwatch gegen das Ernährungsministerium. 

Es ist ein wegweisendes Urteil: Bundesministerien müssen die Studienergebnisse staatlicher Forschungseinrichtungen unzensiert veröffentlichen. Das Verwaltungsgericht Köln gab mit dieser Entscheidung der Verbraucherorganisation foodwatch Recht. foodwatch hatte 2019 gegen das Bundesernährungsministerium (BMEL) geklagt. Das BMEL unter der damaligen Ministerin Julia Klöckner hielt eine Studie zur Lebensmittelkennzeichnung erst zurück und veröffentlichte es in halbes Jahr später mit deutlich geändertem Inhalt. Diese Geheimhaltung bewertete das Kölner Gericht als rechtswidrig.

Laut foodwatch schafft das Urteil einen Präzedenzfall, der der politischen Einflussnahme auf öffentlich finanzierte Forschung und Wissenschaft eine klare Absage erteilt.

Das Urteil stellt klar: Die Bürger:innen haben ein Recht darauf, dass ihnen die mit Steuergeldern finanzierten wissenschaftlichen Studienergebnisse ohne politische Zensur der jeweiligen Regierung zugänglich gemacht werden.
Rauna Bindewald Recherche & Kampagnen

Die sogenannte Ressortforschung des Bundes wird von insgesamt 40 Forschungsinstitutionen betrieben. Im konkreten Fall ging es um eine Studie, dass dasstaatliche Max Rubner-Instituts (MRI) im Auftrag des Ernährungsministeriums zu verschiedenen Modellen der Nährwertkennzeichnung erstellt hat.  Die Ergebnisse lagen dem BMEL im Herbst 2018 vor. Ein halbes Jahr später, im April 2019, stellte Julia Klöckner dann der Öffentlichkeit eine stark überarbeitete Version der Studie vor. Erst nachdem foodwatch im Sommer 2019 Klage eingereicht hatte, gab das BMEL im Januar 2020 die unzensierte Originalfassung der Studie heraus. Diese unterschied sich stark von der zuerst vom BMEL veröffentlichten Version.

Die ursprüngliche MRI-Studie stellte der Lebensmittelampel Nutri-Score ein gutes Zeugnis aus und bewertete ihn als „grundsätzlich vorteilhaft“ für eine Nährwertkennzeichnung. Im Fazit der für das Ministerium überarbeiteten Version heißt es hingegen, dass „keines der NWK-Modelle uneingeschränkt empfohlen werden“ könne. Kriterien, bei denen der Nutri-Score nach Ansicht des MRI besonders gut abschneidet, waren in der BMEL-Version zudem gestrichen worden. Julia Klöckner hatte sich zuvor kritisch über den Nutri-Score geäußert und hob auch bei der Vorstellung der überarbeiteten Studie die Lebensmittelampel negativ hervor.

In seinem Urteil unterstrich das Verwaltungsgericht die dem „MRI zustehende Wissenschaftsfreiheit“. Es stellte außerdem fest, dass das Informationsfreiheitsgesetz „nur die notwendige Vertraulichkeit der Beratung von Behörden“ schütze, „darunter fielen nicht die Beratungsgrundlagen – wie hier der Bericht des MRI“. Die Vorschrift schützte die Behörde „auch nicht vor politisch unliebsamen Ergebnissen von eingeholten Fachstudien“