Hintergrund 28.03.2024

Kritik an Chunky Flavour und Co. von More Nutrition

Instagram Accounts von lucyfischer, susis_abnehmweg und antoniaelena.official

More Nutrition wirbt mit irreführenden und teils illegalen Gesundheitsversprechen. foodwatch fordert das Unternehmen auf diese Täuschung zu beenden.

„17 kg abgenommen dank More“ - bei ausreichender Ernährung mit Chunky Flavour, Sirup & Co. von More Nutrition. Auch gegen Krankheiten und beim weiblichen Zyklus sollen die Nahrungsergänzungsmittel von More Nutrition helfen. Das sind nur einige der Versprechen, die das Unternehmen zu seinen Produkten macht. 

More Nutrition ist ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, der auch Proteinpulver, Zuckerersatz- und Lightprodukte im Sortiment hat. „More“ ist vor allem in sozialen Medien bekannt und verfügt dort über eine große Reichweite. 2021 zählte das Unternehmen zu den Top 10 Marken im Bereich Nahrungsmittel auf Instagram, direkt hinter Edeka und Coca-Cola.  „More“ fällt vor allem durch sein aggressives Social-Media-Marketing auf. Dutzende Influencer:innen werben ausschließlich für das Unternehmen.

Studien zitieren als Marketing-Konzept 

Zu den Produkten werden diverse Gesundheitsversprechen gemacht: 

  • Beim Abnehmen sollen nahezu alle Produkte helfen.
  • Die Nahrungsergänzungsmittel werden auch gerne mal in Zusammenhang mit einer Verbesserung des weiblichen Zyklus oder einer Schwangerschaft in Verbindung gebracht. 
  • Außerdem wird die Heilung bestimmter Krankheiten mit den Produkten assoziiert.

Solche gesundheitsbezogenen Aussagen sind nach der so genannten europäischen „Health-Claims-Verordnung“ (HCVO) nicht zulässig. Darin ist klar geregelt, welche Aussagen zu Lebensmittelbestandteilen wie zum Beispiel Proteinen oder Sucralose gemacht werden dürfen und welche nicht. Und viele der Aussagen von More Nutrition gehören nicht dazu. 

More-Nutrition-Gründer Christian Wolf würde jetzt auf Instagram argumentieren: „Alles, was wir sagen, ist wissenschaftlich bewiesen.“ Und auch das ist eine Masche. Vor allem männliche Vertreter des Unternehmens werden nicht müde, zu jedem Effekt der Produkte die passende Studie zu zitieren – nur sind viele dieser Studien in der Regel von der Lebensmittelindustrie finanziert sind und nicht unabhängig geprüft.

Insbesondere jungen Menschen vermittelt diese Art des Marketings eine vermeintliche Ernsthaftigkeit. Dass hier auf Basis wissenschaftlicher Fakten gearbeitet wird – das ist bei den drohenden Folgen gefährlich. Denn es gibt diverse Berichte von Verbraucher:innen, die statt der Gewichtsabnahme von Magenproblemen, emotionalen Abhängigkeiten, finanziellen Problemen und negativen Veränderungen des Essverhaltens berichten.  Und gerade Jugendliche können oft nicht bewerten, ob es sich bei der Zwei-Sekunden-Einblendung einer Studie um eine unabhängig bewertete wissenschaftliche Wirksamkeit handelt oder nicht.

foodwatch verklagt More Nutrition 

Wir haben More Nutrition im Januar 2024 für zwei seiner so genannten Testimonial Videos abgemahnt. Darin berichten zwei Frauen, wie sie mit Hilfe der Produkte von More Nutrition abgenommen haben. In einem Video werden die Produkte auch in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft gebracht. More Nutrition hatte nach dieser Abmahnung keine Unterlassungserklärung unterschrieben. Deswegen haben wir im Februar 2024 Klage eingereicht

Im März 2024 haben wir dann sieben weitere Videos von Influencer:innen abgemahnt, die für More Nutrition arbeiten. Denn die falschen Gesundheitsversprechen von More Nutrition haben System: Die More-Influencer:innen posten nahezu täglich in ihren Instagram-Storys Werbung für das Unternehmen – viele Aussagen davon sind irreführend. Wir haben vier Wochen lang etwa 25 Influencer:innen, die für More arbeiten, beobachtet und dabei über 250 gesundheitsbezogene Aussagen gesammelt – viele davon nicht zulässig. 

Update vom 30.09.2024: Das Landgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass More Nutrition nicht mehr mit irreführenden Gesundheitsversprechen werben darf und damit der Klage von foodwatch stattgegeben. Mehr dazu in diesem Artikel

More Nutrition als Beispiel für die gesamte Branche

More ist vor allem in sozialen Medien sehr erfolgreich und bei falscher Gesundheitswerbung besonders auffällig. Wir wollen mit der Klage gegen das Unternehmen jedoch ein Zeichen für die gesamte Branche setzen und dafür sorgen, falsche Gesundheitswerbung im gesamten Nahrungsergänzungsmittel- und Fitnessproduktebereich einzuschränken.

Ihre Stimme für Verbraucherschutz!

Immer wieder versuchen Unternehmen mit Werbelügen durchzukommen und Profite zu schlagen. Wir gehen dagegen vor. Um unsere Unabhängigkeit zu bewahren, nimmt foodwatch kein Geld vom Staat oder der Lebensmittelindustrie. Fast 50.000 Förder:innen und noch mehr Spender:innen (Stand Juni 2024) finanzieren unsere Arbeit und sorgen dafür, dass die Stimme von foodwatch in der Öffentlichkeit Gewicht hat. Seien auch Sie dabei, jeder Beitrag wirkt, jede Stimme zählt! 

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Kaum Kontrolle von Werbung in sozialen Medien

Formal sind in Deutschland für die Einhaltung gesundheitsbezogener Werbung die Lebensmittelkontrollbehörden der Kommunen zuständig. Das heißt, dort wo das Unternehmen seinen Sitz hat, ist die jeweilige Behörde dafür verantwortlich, die Online-Aktivitäten der Unternehmen zu überwachen. Das sind die gleichen Behörden, die auch kontrollieren, wie hygienisch es in einem Betrieb zugeht. In der Realität sieht das Ganze komplett anders aus: Jede dritte vorgeschriebene Lebensmittelkontrolle (in einem Betrieb) fällt aus. Für die Überwachung gesundheitsbezogener Werbung in sozialen Medien fehlen den Behörden die Ressourcen und auch teilweise die Kompetenz.

90% der Gesundheitswerbung von Influencer:innen ist irreführend

Diese fehlende Kontrolle ist ein Problem. Die Lebensmittelbehörde Stuttgart (CVUA Stuttgart) hat im Jahr 2021 für zwei Wochen die Social-Media-Werbung von 38 Unternehmen aus dem Bereich Nahrungsergänzungsmittel und Fitnessprodukte beobachtet und dabei Erschreckendes festgestellt

  • Von den knapp 1000 Posts mit gesundheitsbezogenen Angaben wurden 39 Prozent als nicht zulässig eingestuft. 
  • In den Online-Shops der Unternehmen sind die Angaben, die auf Social-Media gemacht werden, häufig nicht zu finden. Hier scheinen die Unternehmen deutlich vorsichtiger zu sein.

Auch die Aktivitäten von Influencer:innen, die für die Unternehmen arbeiten, hat sich die Behörde aus Stuttgart angesehen. Hier sind die Ergebnisse noch erschreckender: Knapp 90 Prozent der gesundheitsbezogenen Werbung durch Influencer:innen stufte die Behörde als irreführend ein. Das ist besonders problematisch, weil Influencer:innen teils eine sehr hohe Reichweite haben. 

Falsche Gesundheitsversprechen müssen ein Ende haben

Es muss mehr Ressourcen für die Kontrolle gesundheitsbezogener Werbung in sozialen Medien geben. Insbesondere Stories von Influencer:innen, die schnell wieder verschwinden, aber von tausenden Menschen gesehen werden, sind schwierig zu kontrollieren.  Wir werden weiter auf irreführende Gesundheitswerbung aufmerksam machen und Unternehmen zur Verantwortung ziehen, die gegen geltendes EU-Recht verstoßen.

Gegen Gesundheitsschwindel unterschreiben!

 Die verantwortlichen Behörden müssen mehr online kontrollieren, dafür  müssen sie aber auch von der Politik vorbereitet und ausgestattet werden. Dafür setzt sich foodwatch ein. Unterschreiben Sie jetzt unsere aktuelle E-Mail-Aktionen für ein Ende falscher Gesundheitswerbung! 

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