Nachricht 20.06.2024

Goldener Windbeutel 2024: So reagieren die Hersteller

foodwatch hat fünf Produkte nominiert für die Wahl zur dreistesten Werbelüge des Jahres. Wie haben Alete, Rügenwalder Mühle, Langnese und Co. auf die foodwatch-Kritik reagiert?

Es ist ein Preis, den niemand haben will: Der Goldene Windbeutel für die dreisteste Werbelüge des Jahres. Die Freude über die Nominierung dürfte sich bei den Herstellern der nominierten Produkte also in Grenzen gehalten haben. Die Konzerne haben zur foodwatch-Kritik Stellung bezogen - einige kündigten Veränderungen der Verpackungsgestaltung an.

Kandidat Nr. 1: Alete Obsties – so reagiert Deutsches Milchkontor (Humana Vertriebs GmbH)

Der Hersteller der Alete bewusst Obsties reagierte in einer Mail auf die Windbeutel-Nominierung. Zum Hauptkritikpunkt von foodwatch, dass die Obsties aufgrund ihres hohen Zuckergehalts laut WHO-Kriterien gar nicht an Kinder beworben werden dürften, bezieht das DMK jedoch keine Stellung.  

Saftkonzentrat zum Süßen

Stattdessen rechtfertigt sich der Hersteller: „Es wird keine Zutat für eine süßende Wirkung eingesetzt.“ Fakt ist: Das enthaltene Apfelsaftkonzentrat dient bei den Obsties wie auch in vielen anderen Produkten zum Süßen. Saftkonzentrate enthalten ein Vielfaches an Zucker als die ursprüngliche Frucht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt Zucker aus Fruchtsaftkonzentraten zu den freien Zuckern, deren Konsum eingeschränkt werden sollte.

Fruchtzucker ist nicht gesünder

Der Hersteller räumt ein, dass es bei den Obsties zu einer „Aufkonzentrierung des natürlichen (Frucht-)Zuckers“ komme. Das ist gesundheitlich ungünstig: Fruchtzucker in verarbeiteten Produkten ist nicht besser zu bewerten als Haushaltszucker. Beide begünstigen krankhaftes Übergewicht sowie Diabetes und schädigen die Zähne. 

Unrealistische Portionsgrößen

Das DMK weist zudem darauf hin, dass auf der Verpackung eine Portionsgröße von fünf Gramm angegeben sei. Das entspricht einem Viertel des Inhalts. foodwatch bewertet es als äußerst fraglich, dass alle Konsument:innen diesem Portionsvorschlag folgen. Auf der Website von Alete bewusst berichtet etwa Conni: „Meine Kids waren total begeistert und haben beide Tüten verschlungen“.

Der Hersteller schreibt außerdem: „Zudem ist der rechtlich verbindliche Hinweis, dass unsere Obsties von Natur aus Zucker enthalten auf der Packungsvorderseite zu finden.“ foodwatch weist darauf hin, dass diese Angabe Verbraucher:innen nicht gerade ins Auge springt. Denn sie befindet sich unten rechts auf der Verpackung in dunkelgrüner Schrift auf grünem Hintergrund.

Welche Werbelüge ist aus Ihrer Sicht die dreisteste?

Jetzt abstimmen!

Kandidat Nr. 2: Heisse Tasse Champignon Creme – So reagiert GB Foods Deutschland GmbH

GB Foods hat in einer Mail zur Nominierung der Heissen Tasse Champignon Creme für den Goldenen Windbeutel Stellung bezogen.   

Der Hersteller hebt hervor, dass die getrockneten Champignonstücke „der 11-fachen Menge  frischer Pilze” und das Champignonsaftkonzentrat „sogar der 37-fachen Menge frischer Pilze” entsprechen. Aus foodwatch-Sicht ändert diese Angabe nichts daran, dass die tatsächliche Menge an Champignons im Endprodukt äußerst gering ist (1,5 Prozent). Auch rechtfertigt ein Gesamtgemüsegehalt von gerade einmal 2 Prozent nicht die prominente Bewerbung des Produkts mit dem Claim „mit echtem Gemüse” auf der Vorderseite der Verpackung.  

Geänderte Verpackung

In der Mail kündigt GB Foods an: „Wir haben im Rahmen unserer kontinuierlichen Verpackungsoptimierung bereits vor einiger Zeit entschieden, ein neues Design einzuführen.” Der Claim „mit echtem Gemüse & Natürlich ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe” werde ersetzt durch „Frei von geschmacksverstärkenden Zusatzstoffen”. Informationen zum Gemüseanteil werden auf der Rückseite zu finden sein. Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber: Auch das Clean Label ist aus foodwatch-Sicht irreführend. Denn die in der Heissen Tasse enthaltenen Zutaten wie Aromen und Hefeextrakt wirken sehr wahrscheinlich geschmacksverstärkend. 

Kandidat Nr. 3: Langnese Cremissimo Bourbon Vanille – so reagiert Unilever 

Unilever hat gegenüber Spiegel Online zur foodwatch-Kritik Stellung genommen. Laut dem Konzern sei die Einführung der 900-Milliliter-Packung „eine Antwort auf die steigende Nachfrage nach kleineren Produktvarianten in unserem Sortiment” gewesen. Aus foodwatch-Sicht kann Unilever gerne eine kleinere Packungsgröße einführen. Dafür den gleichen Preis zu bezahlen, entspricht aber sicher nicht dem Verbraucherwunsch. 

Weiter sagt der Hersteller: „Um Verwechslungen zu vermeiden haben wir auf der 1300ml-Wanne die Mehrmenge (+44 %) klar erkennbar hervorgehoben.“ Statt die gleich groß gebliebene Eispackung als „+44% Familiengröße“ anzupreisen, hätte Unilever auf der verkleinerten 900-Mililiter-Wanne auf den geschrumpften Inhalt hinweisen müssen, kritisiert foodwatch. 

Kandidat Nr. 4: Offset Nutrition Pretty Little Meal Bar – so reagiert Famous Brands GmbH

Bei Spiegel Online und auf Linkedin hat das Unternehmen Famous Brands GmbH zur Nominierung für den Goldenen Windbeutel 2024 Stellung bezogen. Der Hersteller versucht dabei, sich hinter der vermeintlichen Komplexität von EU-Gesetzen und Diätprodukten zu verstecken – und erweckt den Eindruck, der Riegel müsse leider genau so sein wie er ist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.  Das ist nicht korrekt. 

Zuckergehalt vorgeschrieben? 

Famous Brands Geschäftsführerin Çağla Mothes behauptet bei Spiegel Online: „Der Zuckergehalt unseres Riegels ist bewusst so gesetzt, um die Anforderungen der Health Claims Verordnung (HCVO) und der deutschen Diätverordnung zu erfüllen.“ 

Fakt ist: Der Zuckergehalt des Offset Nutrition Riegels kann sich nicht an diesen Verordnungen orientieren. Weder die HCVO noch die EU-Verordnung Nr. 609/2013, welche die deutsche Diätverordnung abgelöst hat, schreiben vor, dass ein Produkt zu über einem Viertel aus Zucker bestehen sollte wie der Offset Nutrition Riegel (26,5 %). Fünf Zuckerwürfel braucht kein Diätprodukt - erst recht keins, das verspricht, man könne mit ihm “vom Zucker wegkommen.” Dies wäre ja auch absurd: Zucker zusetzen, damit ein Produkt eine Diät unterstützen kann – das widerspricht allen Erkenntnissen der Ernährungsmedizin. Dazu kommt: Ein Produkt, das so viel Zucker enthält, damit zu bewerben, dass es “ohne Süßungsmittel” auskommt, ist zwar rechtlich zulässig, aber dennoch Verbrauchertäuschung. 

Legale Verbrauchertäuschung 

Famous Brands betont, dass sie sich mit ihren Produkten an Recht und Gesetz halten.  Fakt ist: foodwatch hat nie behauptet, dass die Offset-Produkte rechtlich zu beanstanden sind. Kritikwürdig ist vielmehr, wie Famous Brands die Produkte vermaktet. Denn der gesundheitliche Nutzen ist zweifelhaft. Offset Nutrition behauptet, es handele sich um eine „neue Art der ausgleichenden Ernährungsweise, die langfristig und vor allem alltagstauglich ist.” Prof. Dr. Diana Rubin, Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin und Diabetologie des Vivantes Humboldt-Klinikums, bewertet das als fraglich: „Der Riegel ist sicher keine neue Art der ausgleichenden Ernährungsweise, sondern ein hochverarbeitetes Lebensmittel mit überwiegend ungünstigen Inhaltsstoffen und dem Zusatz von künstlichen Vitaminen und Mineralstoffen, um das Nahrungsmittel werbetechnisch bestmöglich vermarkten zu können (…)” 

Kein ausgewogener Mahlzeitenersatz 

Zudem sagt Famous Brands: „Ein Nutri-Score, der für Snacks und einfache Lebensmittel konzipiert ist, kann die Komplexität und den Nährwert eines solchen Produkts nicht adäquat widerspiegeln“ und „Wir fügen Vitamine und Mineralstoffe hinzu, um sicherzustellen, dass unsere Produkte alle erforderlichen Nährstoffe liefern – dies ist keine Marketingstrategie, sondern eine Notwendigkeit, um den gesetzlichen Anforderungen der EU zu entsprechen.” 

foodwatch findet: Wenn ein Produkt eine Mahlzeit ersetzen soll, dann muss es sich auch die Frage gefallen lassen, wie wertig diese Mahlzeit ist. Diese Antwort gibt der Nutri-Score – und der fällt in diesem Fall sehr schlecht aus. Durch den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen ändert sich nichts an der ungünstigen Nährwertzusammensetzung. Die Ernährungswissenschaftlerin und zertifizierte Ernährungsberaterin Alice Luttropp, die auch für foodwatch tätig ist, sagt dazu: „Für den Körper ist es immer besser, Vitamine aus natürlichen Lebensmitteln aufzunehmen. Dort sind sie zusammen mit sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und Pflanzenfasern enthalten.“ 

Kandidat Nr. 5: Veganer Schinken Spicker Mortadella – so reagiert Rügenwalder Mühle

Rügenwalder Mühle hat in einer Mail auf die Nominierung des veganen Schinken Spickers zum Goldenen Windbeutel reagiert. Das Unternehmen kündigt an, den Claim „Auf Basis von Sonnenblumenkernen“ im Zuge einer aktuellen Sortimentsumstellung bis spätestens Ende September in „Mit Sonnenblumenprotein“ abzuändern. Aus foodwatch-Sicht ist das nur ein kleiner Schritt in Sachen Transparenz. Die Angabe „Mit 2 Prozent Sonnenblumenprotein“ wäre deutlich klarer und Verbraucher:innen könnten damit eine schnelle fundierte Entscheidung anhand der Vorderseite der Verpackung treffen. 

Auf Basis von Rapsöl statt Sonnenblumenkernen

Weiter argumentiert Rügenwalder Mühle, dass „vegane Fleischalternativen eine noch recht neue Produktkategorie für Verbraucher:innen darstellen“ und sie sich bei der Deklaration zunächst darauf konzentriert haben, „die Quelle des wertgebenden Nährstoffs, also die des Proteins, zu benennen. Rapsöl ist keine Proteinquelle und daher nicht als maßgeblich ersetzende Zutat aufzuführen, um Irreführung zu vermeiden.“ foodwatch bleibt dabei: Der Claim „ Auf Basis von Rapsöl“ wäre aussagekräftiger. Denn es handelt sich bei diesem Produkt um ein Ersatzprodukt für Wurst, die üblicherweise deutlich mehr Fett als Protein enthält.

Bis zum 30. Juni können Verbraucher:innen auf www.goldener-windbeutel.de  ihren Favoriten für den Preis der dreistesten Werbelüge wählen. 

Wer verdient den Goldenen Windbeutel 2024?

Jetzt abstimmen!